In welcher Weise beeinflussen frühe Lebenserfahrungen die Verhaltensweisen und die charakterlichen Aspekte im Erwachsenenalter? Diesem Zusammenhang widmen Forscher immer wieder Studien beim Menschen. Welche Effekte Helikopter-Eltern im Detail auf ihre Kinder haben, gilt in diesem Zusammenhang als umstritten. Extreme Fürsorglichkeit und Überbehütung wird aber allgemein als ein Hemmschuh für die Entwicklung der Selbstständigkeit von Menschen angesehen. Forscher der University of Pennsylvania in Philadelphia haben sich nun erstmals mit ähnlichen Zusammenhängen bei Hunden beschäftigt. Im Rahmen ihrer Studie untersuchten sie die Tiere einer Zuchteinrichtung, aus der Kandidaten für die Ausbildung zu Führhunden hervorgehen.
Hunde-Fürsorglichkeit im Visier
„Dies war eine ideale Möglichkeit, eine kontrollierte Studie durchzuführen, bei der man von Anfang an die Faktoren betrachten kann, die diese Hunde später erfolgreich machen“, sagt Co-Autorin Emily Bray. Um Informationen über die frühen Lebenserfahrungen der Welpen zu sammeln, erfassten die Forscher zunächst durch Videoaufnahmen das Verhalten von 23 Hunde-Müttern und ihren 98 Welpen in den ersten fünf Lebenswochen. „Wir wollten wissen, ob wir die Mütter unterscheiden könnten, je nachdem, wie sie mit ihren Welpen interagierten“, sagt Bray.
In den Auswertungen zeichnete sich ab: Es gibt deutliche Unterschiede im Niveau der Fürsorglichkeit. Einige Hunde-Mütter gehen demnach auffallend behütend und zuvorkommend mit ihrem Nachwuchs um, während sich andere eher entspannt geben und es ihrem Nachwuchs vergleichsweise weniger leicht machen. Sie bleiben beispielsweise zum Säugen stehen, während die überfürsorglichen Hunde-Mütter sich hinlegen, um bequemeren Zugang zu den Zitzen zu gewähren. Ihre Anspannung spiegelt sich auch im Niveau von Stresshormonen wider, stellten die Forscher fest. Wenn sie ihnen die Welpen kurzzeitig wegnahm, stieg der Spiegel des Stresshormons Cortisol in ihrem Speichel deutlich stärker an als bei den Müttern mit dem eher lockeren Verhalten.
Welche Tiere eignen sich als Führhunde
Soweit zu den frühen Erfahrungen der Welpen. Wie sich diese möglicherweise auswirken, zeigte sich bei der Auswertung der Leistungen im Rahmen der Ausbildung zum Führhund. Es handelt sich dabei um eine beachtliche Herausforderung für die Tiere. Sie müssen lernen, selbständig Probleme zu lösen, mutig tätig zu werden und sich auf neue Situationen flexibel einzustellen. Nur etwa 70 Prozent der Hunde erfüllen die Anforderungen und eigenen sich schließlich als Begleiter, die behinderten Menschen effektiv helfen können. Aus diesem Grund ist es auch für die Trainingseinrichtungen interessant, schon im Vorhinein eingrenzen zu können, welche Tiere sich für eine Ausbildung eignen.
Den Ergebnissen der Forscher zufolge sind es offenbar die Jungtiere von Hundemüttern, die ihre Welpen nicht zu sehr verhätscheln. Die Sprösslinge der „Helikopter-Hunde-Muttis“ besaßen hingegen geringere Chancen, das Training zum Führhund erfolgreich zu absolvieren. Besonders der Aspekt des Aufstehens beim Säugen scheint wichtig zu sein: Die Jungtiere von Müttern mit diesem Verhalten waren besonders erfolgreich, berichten die Forscher.
Wie sie betonen, ist aber noch nicht eindeutig klar, wie es zu dem Effekt kommt und ob es sich wirklich um eine Parallele zum Menschen handelt. Denn möglicherweise übernehmen die Jungtiere auch nur die Verhaltensweisen ihrer Mütter, oder es gibt eine erbliche Komponente bei den Verhaltensmustern. Diesen Fragen wollen die Forscher nun weiter nachgegen. „Es ist verlockend das Helikopter-Verhalten der Hunde-Mütter verantwortlich zu machen, aber wir sind uns dabei noch nicht ganz sicher“, sagt Co-Autor James Serpell.