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Aufschieben: Die Gene sind schuld

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Aufschieben: Die Gene sind schuld
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To-Do-Listen helfen bei chronischer Aufschieberitis nicht immer (thinkstock)
„Morgen, morgen, nur nicht heute“ – wer zu den chronischen Aufschiebern gehört, der kennt dieses Motto nur zu gut. Leider führt dies im Alltag ziemlich oft zu Problemen, weil auch Wichtiges gerne aufgeschoben wird. Jetzt aber gibt es eine Ausrede: Die Gene sind schuld. Denn US-Forscher haben herausgefunden, dass der Hang zum Aufschieben vererbt wird. Und er ist zudem genetisch eng mit der Neigung zu impulsivem Handeln verknüpft. Beide zusammen sorgen dafür, dass wir Ziele nicht immer konsequent verfolgen und uns ablenken lassen – wir schieben sie auf.

Unangenehmes schieben wir gerne auf die lange Bank: Zahnarzttermin machen? Aufräumen? Ein unangenehmes Gespräch führen? Lieber morgen als heute. „Jeder schiebt Dinge zumindest manchmal auf“, erklärt Studienleiter Daniel Gustavson von der University of Colorado in Boulder. Interessanterweise haben aber Menschen mit Hang zum Aufschieben meist noch eine andere Eigenheit: Sie neigen auch zu impulsivem Verhalten. „Aufschieber haben eher die Tendenz, zu handeln ohne darüber nachzudenken“, so Gustavson. Auf den ersten Blick scheint das widersprüchlich, ist doch das eine eher mit Zaudern und Zögern verbunden, das andere mit übereiltem Handeln.

Aber bei näherer Betrachtung gibt es durchaus eine Verbindung, wie die Forscher erklären. Für unsere Vorfahren war es ein Vorteil, schnell und impulsiv zu handeln, denn ihre Umwelt veränderte sich plötzlich und unberechenbar: Ein Raubtier taucht auf, das Wetter verändert sich oder eine Herde jagbares Wild zieht vorüber. Heute dagegen haben wir unsere Umwelt weitaus stärker unter Kontrolle, wir können langfristiger planen. Allerdings: Weil wir teilweise noch immer impulsiv sind, lassen wir uns von diesem Ziel leicht ablenken, wir schieben das Nötige lieber auf. Tatsächlich haben bereits mehrere Studien belegt, dass impulsive Menschen eher zum Aufschieben neigen und umgekehrt. Auf welche Weise diese beiden Wesenszüge aber verbunden sind – ob rein psychologisch, biologisch oder durch Einflüsse der Umwelt, war bisher unklar. „Das herauszufinden könnte uns wertvolle Einblicke in das Wesen des Aufschiebens geben – und Ansätze, wie es sich vermeiden lässt“, erklären die Forscher.

Spurensuche bei Zwillingen

Gustavson und seine Kollegen nutzten dafür eine bewährte Probandengruppe: Zwillinge. Denn eineiige Zwillinge besitzen die gleichen Erbanlagen, zweieiige teilen dagegen nur 50 Prozent ihrer Gene miteinander. Bei gleicher Umwelt müsste ein Verhalten mit genetischer Basis daher häufiger bei beiden eineiigen Geschwistern auftreten als bei beiden zweieiigen. Um herauszufinden, ob Aufschieben und Impulsivität möglicherweise eine gemeinsame genetische Wurzel besitzt, führten die Forscher ihre Studie mit 181 eineiigen und 166 zweieiigen Zwillingspaaren durch. Alle Teilnehmer unterzogen sich psychologischen Tests, in denen ihre Tendenz zu impulsivem Verhalten und zum Aufschieben geprüft wurde, aber auch ihre Fähigkeit, sich Ziele zu setzen und diese zu erreichen.

Das Ergebnis: Die Wissenschaftler fanden sowohl beim Aufschieben als auch bei der Impulsivität deutliche Hinweise auf eine genetische Basis: Neigte einer der eineiigen Zwillinge zu raschem Handeln oder dem auf die lange Bank schieben, dann war die Wahrscheinlichkeit groß, dass dies auch bei seinem Bruder oder seiner Schwester der Fall war, wie die Forscher berichten. „Aufschieben und Impulsivität sind vererbbar“, schließen Gustavson und seine Kollegen. Wer dazu neigt, kann demnach durchaus seine Gene als „Schuldige“ vorschieben.

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Aufschieben und Impulsivität sind verknüpft

Aber nicht nur das: Weitere Untersuchungen ergaben, dass beide Wesenszüge zudem eng verknüpft sind und genetisch überlappen. Die Forscher fanden keine genetischen Einflüsse, die einzig für eine der beiden Verhaltensweisen typisch waren. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Aufschieben und Impulsivität vor allem durch genetische Faktoren miteinander verknüpft sind“, erklären Gustavson und seine Kollegen. Als dritter Faktor spielt dabei die Zielstrebigkeit mit eine Rolle, wie die Studie bestätigte. Diejenigen, die zum Aufschieben neigten, hatten in den Tests größere Probleme, sich Ziele zu setzen und diese konsequent zu verfolgen.

In gewissem Maße beeinflussen demnach diese uralten, von unseren Vorfahren ererbten Verbindungen bis heute unser tägliches Leben und Verhalten. Dieses Wissen ist aber kein Grund zur Resignation, sondern könnte den chronischen Aufschiebern unter uns sogar helfen, wie die Forscher betonen: „Wenn wir mehr über die Basis des Aufschiebens erfahren, hilft uns das, gezielter psychologische Methoden zu entwickeln, mit denen wir diese tiefsitzende Neigung überwinden können“, so Gustavson.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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