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Blau ist wärmer als rot

Erde|Umwelt Gesellschaft|Psychologie

Blau ist wärmer als rot
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Blau gilt als kalte Farbe, rot als warme - eigentlich (thinkstock)
Farben haben die Kraft, uns stark zu beeinflussen. Sie können unsere Stimmung verändern, Gefühle hervorlocken und ganz bestimmte Assoziationen wecken: zum Beispiel indem sie Empfindungen von Wärme oder Kälte in uns auslösen. Ein solcher Effekt wird üblicherweise den Farben Rot und Blau nachgesagt. Doch diese Farben können auch genau das Gegenteil bewirken. Eine kleine Studie zeigt jetzt, blaue Gegenstände fühlen sich für uns wärmer an als rote – eine scheinbar überraschende Beobachtung, die offenbart, wie unser Gehirn Informationen aus unterschiedlichen Sinneskanälen zu einem Gesamtbild kombiniert.

Eine Vielzahl von Alltagserfahrungen lehrt uns, dass Dinge, die rot sind, mit Wärme oder gar Hitze zu tun haben – sei es Feuer, Sonnenbrand oder eine angeschaltete Induktionsplatte. Aus demselben Grund ist Blau die Farbe, die wir mit Kälte assoziieren. Denn der Sprung ins blau schimmernde Meer geht in der Regel einher mit dem Gefühl eines Kälteschocks, mindestens aber einer angenehm kühlen Erfrischung. Diese Zusammenhänge hat der Mensch offenbar so stark verinnerlicht, dass rote Farben immer ein Empfinden von Wärme und blaue Töne ein kaltes Gefühl auslösen – und zwar unabhängig von der tatsächlichen Umgebungstemperatur. Etliche Studien haben dieses Phänomen belegt, indem Probanden Farben anschauen und anschließend die Temperatur beurteilen mussten.

Was aber passiert, wenn Versuchsteilnehmer die farbigen Objekte auch anfassen dürfen, sie die Temperatur also nicht nur durch Sehen, sondern zusätzlich durch Berühren abschätzen können? Das hat nun ein Forscherteam um Hsin-Ni Ho von den NTT Communication Science Laboratories in der japanischen Stadt Atsugi untersucht. Das Ergebnis: Blaue Gegenstände fühlen sich wärmer an als rote. Für ihre Untersuchung baten die Wissenschaftler insgesamt zwölf Teilnehmer sowohl rote als auch blaue Oberflächen zu berühren. Dabei sollten sie beurteilen, ob sich die Fläche warm oder kalt anfühlte. Wurde ein Objekt für warm befunden, senkten Hsin-Ni Ho und seine Kollegen Schritt für Schritt die tatsächliche Temperatur der Oberfläche. Jedes Mal ließen sie die Probanden erneut ein Urteil abgeben, um so die niedrigste Temperatur zu bestimmen, bei der ein rotes beziehungsweise blaues Objekt noch als warm wahrgenommen wird. Sie stellten fest: Im Durchschnitt muss die Temperatur eines roten Objekts 0,5 Grad Celsius höher sein als die eines blauen, um als warm empfunden zu werden. Haben zwei Gegenstände also dieselbe Temperatur, erscheint uns der blaue mit hoher Wahrscheinlichkeit wärmer als der rote.

Erwartung manipuliert Temperaturempfinden

In einem zweiten Experiment färbten die Forscher nicht die Objekte ein, sondern die Hände der Versuchsteilnehmer. Dafür projizierten sie rotes beziehungsweise blaues Licht auf die Hände, die die Oberfläche berührten. Tatsächlich beeinflusste auch die Farbe der Hand das Temperaturempfinden der Probanden: Sie schätzten Objekte, die sie mit einer roten Hand anfassten, wärmer ein als solche, die sie mit einer blauen Hand berührten. Beide Beobachtungen ließen sich durch die Annahme erklären, dass Farben bestimmte Erwartungen evozieren  und dadurch unsere subjektive Wahrnehmung beeinflussen, schließen die Forscher. Sehen wir zum Beispiel einen roten Gegenstand, gehen wir zunächst automatisch davon aus, dass dieser warm ist. Wir erwarten also eine relativ hohe Temperaturdifferenz zwischen unserer Hand und dem Gegenstand. Weil diese Erwartung jedoch nicht erfüllt wird, wenn wir das Objekt tatsächlich berühren, beurteilen wir seine Temperatur infolgedessen als weniger warm. Ein blaues Objekt erscheint uns umgekehrt überraschend warm, weil wir es kälter erwarten haben.

Nach dem gleichen Prinzip funktioniert der Handversuch: Eine blaue Hand schätzen wir kälter ein, als sie wirklich ist. Wir vermuten zunächst also einen großen Unterschied zwischen der Temperatur unserer Hand und der der Oberfläche, die wir berühren. Merken wir dann, dass das Objekt sich gar nicht so viel wärmer anfühlt als die Hand, lautet die logische Schlussfolgerung: Das Objekt muss ähnlich kalt sein wie unsere Hand. „Unsere Studie legt nahe, dass unser Gehirn den direkten Temperaturreiz und die Erwartungen, die wir vorher von der Temperatur der Hand oder des Gegenstandes hatten, zu einem Wahrnehmungsempfinden kombiniert“, so die Forscher. Und dabei werde besonders die unerwartete Information betont.

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Quelle:

Daniela Albat
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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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