Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Aggressiv aus Empathie

Erde|Umwelt Gesellschaft|Psychologie

Aggressiv aus Empathie
14-09-26 aggressiv.jpg
Credit: Thinkstock
Das Wort Empathie im gleichen Atemzug mit Aggression zu nennen, kommt wohl den wenigsten in den Sinn. Schließlich gilt Empathie als eine äußerst positive Fähigkeit – als etwas, das Mitgefühl und Wärme erzeugt. US-amerikanische Forscher zeigen nun jedoch: Empathie kann sehr wohl Aggressionen auslösen. Denn manchmal erscheint uns aggressives Verhalten als beste Methode, um jemanden in Not zu beschützen.

Empathie ist die Fähigkeit und die Bereitschaft, sich in die Situation anderer Menschen einzufühlen. Ihr wird üblicherweise nachgesagt, Wärme und Mitgefühl aus uns hervorzulocken und uns zu motivieren, anderen Menschen Gutes zu tun. Doch Empathie kann auch Aggressionen in uns auslösen, wie nun eine psychologische Studie zeigt. Ein Forscherteam um Anneke Buffone von der State University of New York in Buffalo hat untersucht, ob empathische Gefühle zu situationsbezogener Aggression führen können. Genauer: Aggression, die im Interesse einer anderen Person ausgelebt wird.
Wer sich empathisch in jemanden hineinversetzt, dem es schlecht geht, der verspürt intuitiv den Drang, diesem Menschen zu helfen: Dem leidenden Gegenüber soll es besser gehen. Manchmal, so die Hypothese der Forscher, ist Aggression die Reaktion, die am besten dafür geeignet scheint, dem anderen zu helfen. Dies versuchte das Team mithilfe von zwei verschiedenen Versuchen zu belegen.

Mitgefühl in Konflikten

Für den ersten Versuch sollten sich die Studienteilnehmer an eine Situation der vergangenen zwölf Monate erinnern, in der sie Zeuge waren, wie ein ihnen nahestehender Verwandter oder Freund körperlich oder emotional durch eine dritte Person verletzt wurde. Zu dieser Situation mussten sie dann mehrere Fragen beantworten. Zum Beispiel galt es zu bewerten, inwiefern sie in diesem Moment bewegt oder besorgt waren oder mit ihrem Freund mitfühlten. Außerdem sollten die Teilnehmer Angaben zu ihrem eigenen Verhalten machen: Mischten sie sich aktiv in den Konflikt ein? Konfrontierten sie denjenigen, der ihren Freund attackierte, verbal oder gar mit körperlicher Gewalt? Die Auswertung dieser Fragebögen macht deutlich: Diejenigen, die aufgrund ihrer Antworten als besonders empathisch eingestuft wurden, gaben auch deutlich öfter an, sich in der Konfliktsituation aggressiv gezeigt zu haben.
Im zweiten Versuch wurden die Probanden dann mit folgenden fiktiven Situationen konfrontiert: Eine Person hat finanzielle Probleme. Diese Person macht sich entweder große Sorgen deshalb oder sie macht sich keine Sorgen. Außerdem wird diese Person in einem Mathetest gegen einen anderen Kandidaten antreten und hat dabei die Möglichkeit, Geld zu gewinnen.

„Mehr heiße Soße!“

Den Versuchsteilnehmern wurde die Möglichkeit gegeben, diesen fiktiven Wettstreit zu manipulieren, indem sie dem Kontrahenten der beschriebenen Person etwas zum Trinken zuweisen konnten, was die Forscher als „heiße Soße“ definierten. „Wir erklärten „heiße Soße“ als eine Substanz, die sehr große Schmerzen auslöst und die die Leistung extrem einschränkt“, wird Studienleiterin Buffone in einer Mitteilung der Universität zitiert. „Je mehr „heiße Soße“ die Probanden verabreichten, desto schlechter würde der Kontrahent abschneiden – und desto wahrscheinlicher würde die Person mit den finanziellen Schwierigkeiten gewinnen.“ Für das Experiment teilten die Wissenschaftler die Teilnehmer zudem in zwei Gruppen ein: Einer Gruppe gaben sie den Hinweis, sich beim Lesen des Szenarios genau vorzustellen, wie sich die beschriebene Person fühlt. Die andere sollte hingegen nur auf die Fakten achten.

Empathischer Impuls

Die Ergebnisse zeigen: Teilnehmer, die schon im ersten Versuch Empathie gezeigt hatten, setzten sich auch im zweiten Versuch für die Person in Not ein – jedoch nur, wenn diese als besorgt und verzweifelt beschrieben worden war. Probanden, die aufgefordert worden waren, sich beim Lesen des Szenarios in die Person hineinzuversetzen, handelten in Folge aggressiver, verabreichten also mehr „heiße Soße“. Auch dieser Effekt trat nur auf, wenn die Person als besorgt beschrieben worden war.
Die Forscher schließen daraus, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Empathie und Aggression existiert. Den Einfluss anderer Variablen, wie zum Beispiel aggressive Charakterzüge, konnten die Wissenschaftler nach eigenen Angaben weitgehend ausschließen. „Viele glauben, dass aggressives Verhalten hauptsächlich durch Impulsivität oder einen aggressiven Charakter entsteht“, schreibt das Team. „Wir zeigen jedoch, dass jeder aus einem empathischen Impuls heraus aggressiv handeln kann – unabhängig von seiner Persönlichkeit“.

Anzeige

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Daniela Albat
Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Kal|zi|um|chlo|rid  〈[–klo–] n. 11; unz.; Chem.〉 chem. Verbindung, die u. a. als Trocken– u. Frostschutzmittel verwendet wird; oV 〈fachsprachl.〉 Calciumchlorid … mehr

Schul|we|sen  〈n.; –s; unz.〉 Gesamtheit dessen, was die Schulen betrifft

Al|lo|pa|thie  〈f. 19; unz.; Med.〉 das übliche Heilverfahren, gegen eine Krankheit Mittel anzuwenden, die eine der Krankheitsursache entgegengesetzte Wirkung haben; Ggs Homöopathie … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige