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Fröhlicher Gang gegen schlechte Laune

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Fröhlicher Gang gegen schlechte Laune
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Der Gang verrät unserer Stimmung, beeinflusst sie aber auch (thinkstock)
Unser Gang verrät viel darüber, wer wir sind und wie wir uns fühlen. So gehen Männer anders als Frauen, Ältere anders als Kinder und ein fröhlicher Mensch anders als ein deprimierter. Ein Experiment zeigt nun, dass dies auch umgekehrt funktioniert: Der Gang kann unsere Psyche beeinflussen. Ließen die Probanden die Schultern hängen und bewegten sich eher deprimiert, dann neigten sie auch zu einer negativeren Stimmung. Nahmen sie eine positivere Gehhaltung ein, hob dies auch ihre Laune. Nach Ansicht der Forscher könnte dieses Biofeedback daher eine vielversprechende und simple Methode sein, gegen Depressionen und Niedergeschlagenheit buchstäblich anzugehen.

Sind wir niedergeschlagen, dann zeigt sich dies auch in unserer Haltung: Wir lassen die Schultern hängen, heben die Füße weniger und bewegen uns insgesamt weniger dynamisch. Geht es uns dagegen gut, schreiten wir weit aus und richten unseren Körper unwillkürlich stärker auf. “Es ist nicht überraschend, dass sich unser Befinden und unsere Stimmung auch auf unseren Gang auswirkt”, erklärt Seniorautor Nikolaus Troje von der Queen’s University im kanadischen Kingston. “Wir wollten aber wissen, ob die Art, wie wir uns bewegen umgekehrt auch beeinflusst, wie wir uns fühlen.” Immerhin belegen Untersuchungen bereits, dass es diese Art des umgekehrten Feedbacks durchaus gibt, beispielsweise in der Mimik: Lächeln wir bewusst eine Zeitlang, dann hebt sich auch unsere Stimmung.

Wörter merken auf dem Laufband

Um den Effekt des Ganges und der Haltung auf die Psyche zu testen, mussten Troje und seine Kollegen Johannes Michalak von der Universität Witten Herdecke und Katharina Rohde von der Universität Bielefeld raffiniert vorgehen. Denn die Probanden sollten nicht wissen, worum es im Experiment eigentlich geht, um ihre Stimmung nicht darüber zu beeinflussen. Daher erzählten die Wissenschaftler ihren Teilnehmern, es handele sich um einen Gedächtnistest. Die Probanden wurden gebeten, auf einem Laufband zu gehen, während sie sich eine Liste von Wörtern einprägten. Darunter waren sowohl Ausdrücke negativer Emotionen wie “ängstlich” oder “traurig” als auch positive Wörter wie “schön”.

Ohne dass die Probanden es wussten, wurde währenddessen auch ihre Haltung überwacht. Sie sahen auf einem Display nur eine neutrale Anzeige, in der ein Zeiger sich entweder nach links oder rechts bewegte. Die Hälfte der Teilnehmer sollte nun versuchen, den Zeiger möglichst rechts zu halten, die andere Hälfte links. Ohne genau zu wissen wie, passten sie daraufhin unbewusst ihre Haltung beim Gehen solange an, bis der Zeiger im gewünschten Bereich stand. Was sie nicht wussten: Über diese Manipulation brachten die Forscher sie dazu, entweder einen typisch depressiven Gehstil mit hängenden Schultern und kaum bewegten Armen zu nutzen oder aber eine optimistische, positiv gestimmte Gangart. Nach der Einprägungsphase testeten die Forscher, an wie viele und welche Wörter sich die Teilnehmer erinnerten, indem sie diese aufschreiben ließen.

Biofeedback gegen die “graue Brille”

Dabei zeigten sich interessante Unterschiede: Diejenigen, die durch den Zeiger zu einer depressiveren Haltung und Gangweise gebracht wurden, erinnerten sich an deutlich mehr negative Worte als die Probanden, die unbewusst eine positivere Körperhaltung eingenommen hatten.  Nach Ansicht der Forscher belegt dies, dass die Gangweise tatsächlich Auswirkungen auf die Stimmung und den Blick auf die Welt hat. Denn es sei bereits bekannt, dass Erinnerungen und Stimmung eng verknüpft sind. So neigen klinisch depressive Patienten dazu, sich selektiv mehr negative Ereignisse und Erfahrungen zu merken. Sie sehen die Welt quasi durch eine graue Brille und fühlen sich dadurch immer schlechter, wie in einem Teufelskreis. Wer dagegen eine positive Grundstimmung hat, sieht und erinnert eher das Positive, erklärt Troje.

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Das in diesem Experiment festgestellte Biofeedback zwischen Haltung und Stimmung könnte nach Ansicht der Forscher eine Chance sein, um beispielsweise Patienten mit Depressionen zu helfen. Denn wenn diese üben, bewusst eine positivere Körperhaltung einzunehmen, dann beeinflusst dies, was sie wahrnehmen und sich merken. Und wiederum könnte helfen, die “graue Brille” abzuschütteln. “Wenn man auf diese Weise den Teufelskreis durchbrechen kann, dann wäre dies ein starkes therapeutisches Werkzeug für depressive Patienten”, hofft Troje. In jedem Fall kann es nicht schaden, beim nächsten Spaziergang oder auf dem Weg zur Arbeit einfach mal selbst auszuprobieren, wie es sich anfühlt, wenn wir bewusst unsere Haltung ändern.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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