„Ach stell dich doch nicht so an!“ Nicht-Betroffene schmunzeln gelegentlich über die unbegründeten Ängste ihrer Mitmenschen – das gilt besonders für die Angst vor harmlosen Spinnen. Doch bei ausgeprägten Arachnophobikern ist diese Furcht außer Kontrolle: Sie empfinden so starke Angst vor den Krabbeltieren, dass sie sich beispielsweise nicht mehr in den Keller trauen oder sich in einem Garten ständig bedroht fühlen. Dies kann sogar in Panikattacken resultieren.
Wie bei anderen Phobien hat sich auch bei Spinnenangst bisher schon die Konfrontationstherapie bewährt. Dabei wird dem Patienten bei mehreren Sitzungen das Objekt seiner Angst Schritt für Schritt immer näher gebracht, bis seine Furcht schwindet. Allerdings kann es manchmal lange dauern, bis sich ein Erfolg einstellt und die Therapie setzt die Betroffenen auch oft unter starken Stress.
Ein Bluthochdruckmittel mit einschlägiger Nebenwirkung
Mit dem Verfahren, über das Merel Kindt von der Universität Amsterdam und ihre Kollegen nun berichten, könnte man diese Schwierigkeiten zukünftig möglicherweise umgehen. Der Effekt entsteht dabei durch die erstaunliche Nebenwirkung eines Medikaments, bei dem es sich eigentlich um ein Mittel gegen Bluthochdruck handelt: Neben seinem Einfluss auf das Herzkreislaufsystem wirkt der Betablocker Propranolol auch beruhigend, dämpft Angstgefühle, kann aber auch kleine Gedächtnislücken verursachen, haben die Forscher bereits in früheren Studien gezeigt.
An ihrer aktuellen Untersuchung nahmen nun insgesamt 45 Arachnophobiker teil. Eine Hälfte der Probanden bekam vor der jeweiligen Einzelsitzung eine Dosis Propranolol verabreicht, die Kontrollgruppe erhielt hingegen eine wirkungslose Substanz – ein Placebo. Anschließend wurden die Teilnehmer mit ihrem achtbeinigen Angstauslöser konfrontiert: einer großen Tarantel. Wie die Forscher berichten, reagierten die Probanden durch die Wirkung des Propranolols mit deutlich weniger Angst auf die Spinne und konnten sich ihr vergleichsweise mutig nähern. Anschließende Untersuchungen im Rahmen eines Jahres zeigten, dass dieser Effekt der reduzierten Angst sich bei den Probanden verfestigt hatte.
Vielversprechendes Potenzial
Die Forscher vermuten, dass das Propranolol eine Art Amnesie der im Gedächtnis verankerten Spinnenangst ausgelöst hat, die durch die Konfrontation aktiviert war. „Das Verfahren wirkt eher wie eine Operation als wie eine Psychotherapie“, so Kindt. „Derzeit erhalten Patienten mit Angststörungen oder Posttraumatischer Belastungsstörung mehrere Sitzungen mit kognitiver Verhaltenstherapie oder täglich Medikamente, um die Symptome zu lindern oder die Störung langsam zu beseitigen“, so Kindt. Wenn sich ihre Methode bewähren sollte, könnte demnach eine deutliche Erleichterung der Behandlung möglich sein. Nun sei allerdings noch weitere Forschungsarbeit zu leisten, um die Ergebnisse zu erhärten und um der Frage nachzugehen, ob tatsächlich auch andere Angststörungen mit der Kombinationstherapie behandelbar sind.