Forscher haben erstmals hochgerechnet, wieviel Fisch es auf der Erde gibt und wie er die Eigenschaften des Ozeanwasser beeinflusst: Insgesamt, zeigt die Schätzung, leben in den Weltmeeren Fische mit einem Gesamtgewicht zwischen 800 Millionen und zwei Milliarden Tonnen. Sie produzieren jedes Jahr bis zu 110 Millionen Tonnen Kalziumkarbonat ? eine Kalkvariante, deren Bildung bisher vor allem winzigen Meeresbewohnern wie Kalkalgen und anderem Plankton zugeschrieben wurde und die wichtig für das Säure-Base-Gleichgewicht des Meeres ist. Damit spielen Fische eine sehr viel wichtigere Rolle bei der Regulation des pH-Wertes im Meerwasser als bislang angenommen. Aufgrund des Klimawandels könnte sich dieser Einfluss in Zukunft sogar noch vergrößern, spekulieren die Forscher um Rod Wilson von der University of Exeter.
Um nicht auszutrocknen, müssen Fische ständig das stark salzhaltige Wasser der Ozeane trinken. Dabei nehmen sie viel Kalzium auf, das, würde es nicht ausgeschieden, auf Dauer zur Bildung von Nierensteinen führen würde. Daher haben die Tiere eine Strategie entwickelt, mit der sie das überschüssige Kalzium gefahrlos entsorgen können: Sie lassen es in ihrem Darm mit Hydrogenkarbonat reagieren, das sie aus dem im Stoffwechsel entstehenden Kohlendioxid erzeugen. Dabei bildet sich Kalziumkarbonat, das unter den Bedingungen des Darms nicht wasserlöslich ist und kristallartige Klumpen bildet, die sogenannten „Gut Rocks“ oder Darmsteine. Diese werden unabhängig von der normalen Verdauung ausgeschieden. Einmal freigesetzt, lösen sie sich im Meerwasser auf und erhöhen dessen pH-Wert, sprich: das Meerwasser wird alkalischer.
Zwar war dieser Mechanismus bereits vor der neuen Studie bekannt. Wieviel Kalziumkarbonat jedoch tatsächlich von Fischen stammt, konnten Wilson und sein Team erst jetzt nachweisen. Dazu rechneten sie mit Hilfe von Fischereidaten seit 1950 und der Wachstumsrate von Wasserpflanzen sowie deren Umsetzung in der Nahrungskette hoch, wieviel Fisch es insgesamt gibt. Anschließend schätzten sie anhand der von einzelnen Fischen produzierten Menge an Kalziumkarbonat den Gesamtausstoß dieses Salzes ab. Das Ergebnis: Selbst bei vorsichtiger Schätzung stammen drei bis fünfzehn Prozent des Kalziumkarbonats im Wasser von Fischen. Die tatsächliche Menge könnte allerdings bis zu dreimal so groß sein, so die Forscher.
Eigentlich hatten Wissenschaftler angenommen, das Kalziumkarbonat werde praktisch ausschließlich von Plankton produziert. Die neue Entdeckung beantworte nun jedoch einige offene Fragen. So habe das Fisch-Karbonat beispielsweise andere chemische Eigenschaften als die Planktonvariante, was die Verteilung im Wasser erkläre. Zudem müsse es bei der Entwicklung von Klimamodellen berücksichtigt werden ? vor allem, weil der Beitrag der Fische bei steigenden Kohlendioxidkonzentrationen in Zukunft vermutlich immer mehr an Gewicht gewinnt.
Rod Wilson (University of Exeter) et al.: Science, Bd. 323, S. 359 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel