Bakterien mögen’s warm: Mit den steigenden Temperaturen im Rahmen des Klimawandels können sich die Mikroben in Nord- und Ostsee stärker vermehren. In den vergangenen Jahren waren darunter auch ausgesprochen problematische: Bakterien der Gattung Vibrio, die Durchfallerkrankungen oder schwere Entzündungen hervorrufen können. „Vibrionen sind Klimawandel-Gewinner, weil ihre Anzahl bei hohen Temperaturen in die Höhe schnellt“, sagt Gunnar Gerdts vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) auf Helgoland. Gerade in küstennahen Gebieten der Ostsee kam es in der Vergangenheit bei Hitzewellen immer wieder zu Krankheits- und auch Todesfällen, für die das Bakterium Vibrio vulnificus verantwortlich war.
Krankheitserreger an Bord?
Gerdts und seine Kollegen sind nun der Frage nachgegangen, ob sich diese Erreger auch auf einem vergleichsweise neuen Lebensraum breit machen: auf den Oberflächen der winzigen Plastikpartikel. Schon lange prangern Umweltschützer das Problem des Mikroplastiks an. Es handelt sich um Teilchen von unter fünf Millimetern Größe, die sich vor allem durch den Zerfall von Kunststoffen im Meer bilden. Auf den Partikeln können sich bekanntermaßen Lebewesen ansiedeln – Bakterien, Pilze und Algen bilden auf ihnen schleimige Schichten, sogenannt Biofilme. Enthalten sie aber auch die problematischen Vibrionen?
Um das zu klären, haben die AWI-Wissenschaftler an 62 Stationen in Nord- und Ostsee Wasserproben genommen sowie Mikroplastikpartikel gezielt von unterhalb der Wasseroberfläche abgefischt. Die Laboruntersuchungen zeigten: Bei 19 der insgesamt 185 Proben fanden die Forscher Vibrionen auf den Plastikpartikeln. Es handelte sich bei ihnen allerdings nicht um die schlimmsten Formen dieser Bakterien. Bei Vibrionen unterscheidet man neben Arten auch Genotypen, deren krankheitserregendes Potential unterschiedlich ist. Doch in jedem Fall scheint klar: Die Mikropartikel bieten diesen Mikroben Lebensraum.
Wachsamkeit ist angesagt
„Das zeigt das Potenzial auf, dass die Krankheitserreger möglicherweise auf den Partikeln hitchhiken, sich also per Anhalter innerhalb eines Ökosystems verteilen und auch darüber hinaus verbreiten können“, sagt Gerdts. „An der Nord- und Ostseeküste untersuchen die Landesuntersuchungsämter bereits exemplarisch Wasserproben hinsichtlich Vibrio-Spezies. Sollte sich in der Zukunft zeigen, dass mit Vibrionen aufgeladene Mikroplastikpartikel regelmäßig vorkommen, gibt das Anlass zur Sorge, da Biofilme allgemein höhere Bakterien-Dichten aufweisen als das Freiwasser“, sagt der AWI-Forscher.
Er und seine Kollegen wollen die Rolle der Partikel für die Anreicherung und mögliche Verbreitung dieser Bakterien nun noch genauer untersuchen. Eine wichtige Frage ist dabei, wie dicht die Partikel mit den Problem-Bakterien besiedelt sind. Denn bisher konnten die Wissenschaftler ausschließlich nachweisen, ob Vibrionen an den Mikroplastikpartikeln leben oder nicht. „In Zukunft wollen wir daher die Anzahl der Vibrionen auf den Plastikpartikeln zusätzlich mittels der sogenannten quantitativen Polymerase-Kettenreaktion bestimmen, die dann auch quantitative Vergleiche ermöglicht“, sagt Gerdts.