Die hormonähnlich wirkende Chemikalie Bisphenol A (BPA) ist in vielen Kunststoffen enthalten – fatalerweise. Denn der Zusatzstoff wirkt ähnlich wie das weibliche Geschlechtshormon Östrogen und löst damit zahlreiche Gesundheitsschäden aus: Er steht im Verdacht, Entwicklungsstörungen und neurologische Schäden, Unfruchtbarkeit bei Männern, Übergewicht und Krebs auszulösen. Auch Verhaltensstörungen können auf die Chemikalie zurückgehen. In Babyfläschchen aus Kunststoff darf Bisphenol A inzwischen in Deutschland nicht mehr enthalten sein. Doch viele andere Gegenstände und selbst Lebensmittelverpackungen enthalten die Chemikalie noch immer. „Rund 3,5 Millionen Tonnen BPA werden jährlich weltweit produziert“, erklärt Kaleigh Reno von der University of Delaware. Der Stoff steckt in bruchfesten Brillen, Klebstoffen, Quittungsblöcken, der Innenwand von Getränkedosen und der Innenauskleidung von Autos. Ersatzstoffe, die die gleiche Funktion ohne die schädliche hormonelle Wirkung zeigen, waren bisher Mangelware.
BPA-Ersatz aus Lignin
Reno und seine Kollegen von der University of Delaware könnten nun einen solchen Ersatzstoff gefunden haben – im Abfall von Papierfabriken. Um aus Holz den Papierrohstoff Zellulose zu gewinnen, werden Holzschnitzel chemisch behandelt. Dabei bleibt der Holzbestandteil Lignin, der den holzigen Pflanzen ihre Festigkeit gibt, als unerwünschtes Nebenprodukt zurück. Wie die Forscher berichten, produzieren Papierfabriken weltweit rund 70 Millionen Tonnen Lignin als Abfallstoff. Bisher werden 98 Prozent davon verbrannt.
Doch in diesen Holzstoff verbergen sich wertvolle Ausgangsmaterialien für einen BPA-Ersatzstoff, wie Reno und seine Kollegen nun belegen. Aus den beiden Lignin-Bestandteilen Vannillyl-Alkohol und Guaiacol synthetisierten sie das sogenannte Bisguaiacol F (BGF). Dessen Struktur und Eigenschaften ähneln dem des BPA, aber im Unterschied zu diesem wirkt die neue Substanz nicht hormonähnlich. „Wir haben das BGF so entwickelt, dass es den Hormonhaushalt nicht stört, aber trotzdem die erwünschten thermischen und mechanischen Eigenschaften des BPA erhält“, erklärt Reno. Auch in punkto Toxizität schnitt das BGF deutlich besser ab als BPA.
Der große Vorteil: Der BPA-Ersatzstoff wird aus einem reichlich vorhandenen Abfallmaterial synthetisiert. Daher ist seine Produktion auch in wirtschaftlicher Hinsicht günstig. Hinzu kommt, dass das Lignin aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz stammt. BGF kann daher sehr viele umweltfreundlicher hergestellt werden als das aus Erdölprodukten synthetisierte BPA, wie die Forscher betonen. In weiteren Versuchen wollen sie nun belegen, dass sich die Substanz bei der Kunststoff-Herstellung tatsächlich gut als Ersatz für das Bisphenol A eignet. „Wir erwarten hier positive Ergebnisse innerhalb eines Jahres“, sagt Reno. In zwei bis fünf Jahren könnte das BGF marktreif sein.