An der Studie der Forscher um Wu Youyou von der University of Cambridge nahmen insgesamt 86.220 Facebook-Nutzer teil. Sie hatten den Wissenschaftlern Einblick in ihre Likes gewährt – in ihre Vorlieben für Bilder, Videos, Texte und Kommentare auf Facebook. Außerdem absolvierten die Teilnehmer einen umfangreichen psychologischen Test, der Aufschluss über ihre Persönlichkeitsmerkmale bot. Aufs Wesentliche reduziert sind das die sogenannten „Big Five“: Neurotizismus (Grad der emotionalen Labilität), Introversion/Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit.
Mit den Facebook-Daten und den Ergebnissen der psychologischen Tests fütterten die Forscher dann ihre Computer. So konnten sie feststellen, welche Muster von Likes typisch für bestimmte Persönlichkeitsmerkmale sind. Wer beispielsweise den „Das gefällt mir“ – Button für Bilder von Salvador Dali drückt oder bei Beiträgen zum Thema Meditation, der besitzt meist einen vergleichsweise hohen Grad an Offenheit. Unterm Strich wurde deutlich: Das Computersystem kann anhand von Facebook-Daten voraussagen, welche charakterlichen Eigenschaften ein Facebook-Nutzer besitzt.
Facebook Likes verraten Persönlichkeitsmerkmale
Doch wie gut ist diese Fähigkeit im Vergleich zum menschlichen Urteilsvermögen? Um dieser Frage nachzugehen, baten die Forscher Freunde und Angehörige der Probanden, Einschätzungen über deren Persönlichkeitsmerkmale abzugeben. Dabei kam ebenfalls ein bewährter psychologischer Befragungstest zum Einsatz, der sich auf die „Big Five“ konzentriert. Diese Ergebnisse konnten die Forscher anschließend mit den Resultaten ihrer Computeranalysen sowie mit den psychologischen Testergebnissen der Probanden vergleichen.
Ergebnis: Schon zehn Likes reichten für die Computer aus, um den Charakter einer Person besser einzuschätzen zu können als Arbeitskollegen. Um besser zu sein als Freunde, brauchte das System mindestens 70 Likes und im Fall von Familienmitgliedern waren 150 zur Auswertung nötig. Mithalten können mit der Genauigkeit der Computer nur Lebenspartner, berichten die Forscher: Um deren Einschätzungsgenauigkeit zu erreichen, müssen dem Computersystem mindestens 300 Likes zur Verfügung stehen.
Auf dem Weg zum gläsernen Onliner?
Den Forschern zufolge hat diese digitale Form der Menschenkenntnis damit das Potenzial, Personen besser einschätzen zu können, als es den meisten ihrer nahestehenden Menschen möglich ist. Denn meist ist wohl genug Datenmaterial vorhanden, sagen die Wissenschaftler: Im Durchschnitt liegen zu jedem Facebook-Nutzer 227 Likes vor. „In Zukunft könnten Computersysteme eine Art emotionale Intelligenz entwickeln: Sie könnten unsere psychologischen Merkmale ableiten und dann entsprechend auf uns reagieren“, sagt Youyou.
Aber wollen wir denn das? Entsprechende Technologien bergen die Gefahr, dass das Recht auf Privatsphäre verletzt werden könnte – diese Bedenken haben offenbar auch die Forscher. Sie unterstützen deshalb die Entwicklung von Regelungen, die Nutzern volle Kontrolle über den Zugang zu ihren digitalen Fußspuren sichern. „Wir hoffen, dass die Verbraucher, Technologie-Entwickler und politischen Entscheidungsträger sich dieser Herausforderung stellen werden“, sagt Co-Autor Michal Kosinski.