Britische Forscher haben eine Software entwickelt, die allein anhand des Drehbuchs den Erfolg eines Kinofilms vorhersagen soll: Sie identifiziert die Häufigkeit und Verteilung von Wörtern und Wortgruppen und errechnet daraus unter anderem die Struktur der Szenen und den Spannungsbogen. Angewendet auf erfolgreiche Filme und Fernsehserien kristallisiert sich dabei ein gemeinsames, grundlegendes Muster heraus, das sich beispielsweise auch beim Dauerbrenner ‚Casablanca‘ und der extrem beliebten Krimireihe ‚CSI‘ wiederfindet. Abzuwarten bleibt, ob sich das Programm, das Fionn Murtagh und Stewart McKie von der University of London zusammen mit dem Drehbuchautor Adam Ganz entwickelt haben, auch in der Praxis bewährt.
Im ersten Schritt habe der
Algorithmus lediglich ganz grob das Genre zuordnen können. „Wir konnten Actionfilme wie ‚Stirb langsam‘ von Dramen wie ‚Casablanca‘ unterscheiden, indem wir die Häufigkeit von Verben mit der der Namen der Hauptfiguren verglichen“, erzählt Ganz. Die verfeinerte Variante der Software berücksichtigte dann zusätzlich, wie häufig die einzelnen Wörter in welchem Verhältnis zueinander standen. Das erlaubte, ganz grundlegende Muster zu erkennen. So bauen beispielsweise ‚Casablanca‘ und ‚CSI‘ die Spannung auf genau die gleiche Art auf: Sie verkürzen die Länge aufeinanderfolgender Szenen, um immer wieder offene Enden oder
Cliffhanger zu erzeugen, die dann in einer längeren Passage aufgelöst werden.
Die Software kann auch über Konflikte in der Handlung Auskunft geben, indem sie analysiert, wie die Stellung häufig genutzter Wörter zueinander variiert. Am besten illustriert wird das Prinzip durch zwei Schlüsselwörter in ‚Casablanca‘, die Namen „Ilsa“ und „Rick“: Im Lauf der Handlung rücken sie immer wieder zusammen und driften dann wieder auseinander. „Es ist überraschend, wie gut das Ilsas widersprüchliche Gefühle widerspiegelt, wenn sie im Film abwechselnd Rick’s Anziehungskraft erliegt oder ihr widersteht“, erläutert Fionn Murtagh.
Die Kritik, die Software würde sich zu sehr auf eine hollywoodtypische Machart konzentrieren, lassen die Entwickler nicht gelten. Selbst ‚Memento‘, ein extrem ungewöhnlich strukturierter Film, bei dem die Hälfte der Szenen in einer umgekehrten chronologischen Reihenfolge erzählt wird, habe einen hohen Wert erreicht, berichten sie ? wahrscheinlich, weil der Algorithmus eine sehr fundamentale Struktur erfasst. Die Verwendung des Drehbuchs ohne Berücksichtigung etwa der visuellen Umsetzung sehen sie ebenfalls nicht als Schwachpunkt, da Produzenten schließlich allein anhand des Drehbuchs entscheiden müssen, ob sie das Projekt realisieren oder nicht. Ausprobiert werden kann die Software mittlerweile online: Auf scriptcloud.com können Autoren ihre Drehbücher hochladen und sie vorläufig analysieren lassen.
Nature, Onlinedienst, DOI: 10.1038/453708a ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel