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Strom aus Gummi und Wasser

Technik|Digitales

Strom aus Gummi und Wasser
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Wird das TENG-Armband wiederholt angestupst, erzeugt es Strom und lädt damit einen Akku, wie die Kurve auf dem Bildschirm zeigt (Foto: Yi et al. Sci. Adv. 2016; 2 : e1501624)
Es klingt fast zu schön um wahr zu sein: Strom für den Alltag, einfach erzeugt mit Hilfe von Gummi und Wasser? Dass so etwas funktionieren kann, belegen nun chinesische Forscher mit ihrem triboelektrischen Nanogenerator. Dieser erzeugt aus der Bewegung des nanostrukturierten Kunststoffs und des darin eingebetteten Wassers immerhin genug Strom, um LEDs und einfache Sensoren zu versorgen. Der große Vorteil: Das Material ist so vielseitig und flexibel formbar, dass man es als Armband, Kissen oder auch Schuhsohle einsetzen kann.

Unsere Elektronik wird immer kleiner und mobiler: Sensor-Armbänder messen unsere Vitalfunktionen und zählen unsere Schritte, Computeruhren melden uns eingehende E-Mails oder Telefongespräche und selbst in Textilien lassen sich bereits LEDs und Sensoren integrieren. In jüngster Zeit haben Forscher zudem elastische, hauchdünne Sensorpflaster entwickelt, die direkt auf unserer Haut unsere Temperatur oder die Feuchte messen. Bisher allerdings haben diese Mini-Instrumente eine Schwachstelle: ihre Stromversorgung. Sie müssen entweder regelmäßig ans Ladegerät, funktionieren nur mit Kabel oder erfordern einen Batteriewechsel. Eine Stromquelle, die ebenso minimalistisch, mobil und elastisch ist wie sie, fehlte bisher weitgehend.  Nach Ansicht von Fang Yi von der Universität für Wissenschaft und Technik in Peking und seinen Kollegen könnten triboelektrische Nanogeneratoren (TENG) künftig diese Lücke schließen. Sie machen sich den gleichen Effekt zunutze, der auch bei der elektrischen Aufladung von Materialien durch Reibung wirkt: Bei Kontakt gibt einer der beiden Partner Elektronen an den anderen ab, dadurch entsteht elektrische Energie. Voraussetzung ist dabei, dass beide Stoffe eine unterschiedliche Affinität für Elektronen besitzen. Durch ständiges Berühren und Trennen oder durch abwechselnden Kontakt mit verschiedenen Materialien lässt sich durch diesen triboelektrischen Effekt sogar Wechselstrom erzeugen.

„Triboelektrische Nanogeneratoren, die mechanische Energie durch eine Kombination aus triboelektrischem Effekt und elektrostatischer Aufladung umwandeln, sind vielversprechende ‚Energie-Ernter'“, erklären Yi und seine Kollegen. „Denn sie lassen sich einfach herstellen, kosten wenig, wiegen nicht viel, sind effizient und noch dazu umweltfreundlich.“ Bisherige TENGs krankten allerdings daran, dass sie oft aus unflexiblen Materialien bestanden und schlecht skalierbar waren. Deshalb haben die Forscher nun einen Nanogenerator entwickelt, der verblüffend simpel, vielseitig und extrem elastisch ist. Im Prinzip besteht ihr „shape-adaptive TENG“ (saTENG) aus nicht viel mehr als Wasser oder Salzlösung als Elektrode und einer Hülle aus elastischem Polymer. Das Polymer besitzt eine nanostrukturierte Oberfläche aus Nanostäbchen, die die Wechselwirkung von Wasser und Kunststoff optimiert. Durch Kontakt mit einem geerdeten Objekt und durch Verformung des Generators nimmt die Wasserelektrode abwechselnd Elektronen auf oder gibt sie wieder ab, wie die Forscher erklären. Der Vorteil sei dabei: Der saTENG kann in nahezu beliebiger Form produziert und genutzt werden und funktioniert selbst dann noch, wenn er wie ein wassergefülltes Gummiband um bis zu 300 Prozent gedehnt wird.

Armband, Schuhsohle oder Kissen

Ob und wie gut dieser Generator funktioniert, haben die Forscher an gleich mehreren Modellen und Varianten ausprobiert. Im ersten Versuch stellten sie ihren TENG in Form einer Sohle her und klebten ihn unter die Schuhe von Probanden. Berührten diese nun mit diesem Schuh den Boden oder hoben ihn hoch, floss stets ein Schub Elektronen in angeschlossene LEDs und ließ sie aufleuchten. Eine weitere Variante ist ein Nanogenerator in Form eines Armbands – äußerlich ist dieses kaum von einem der typischen Fitnesstracker zu unterscheiden. Tippten die Probanden mit der anderen Hand dieses Armband an, erzeugte der saTENG Strom. „Ein Zyklus solcher Taps kann mehr als 80 LEDs zum Leuchten bringen – das zeigt seine Effektivität als tragbare Stromquelle“, betonen Yi und seine Kollegen. Erstellt man aus dem Gummi-Wasser-Generator ein elastisches Armband für den Oberarm, dann kann er sogar als sich selbst versorgender Sensor dienen: Beugt und streckt man den Arm, verändert sich der Durchmesser des Bizeps und damit die Größe der Kontaktfläche zwischen TENG und Haut. Dadurch kann der Sensor die Armposition messen, gleichzeitig erzeugt dies Strom: „Diese periodische Veränderung der Kontaktfläche erzeugt einen Strom von Elektronen, die zwischen der Wasserelektrode des saTENG und der Erdung hin- und herfließen“, erklären die Forscher.

Nach Ansicht von Yi und seine Kollegen könnten triboelektrische Nanogeneratoren durch ihre Anpassungsfähigkeit, sowie ihre vielseitigen Formen und Einsatzmöglichkeiten viele nützliche Anwendungen ermöglichen. „Dieses Konzept könnte für tragbare Elektronik, implantierbare Geräte oder haptische Sensoren nützlich sein und das in Bereichen wie dem Sport, der Robotik, der Unterhaltung oder der Medizin“, konstatieren die Wissenschaftler. Stellt man die Nanogeneratoren in flacher Kissenform her, können sie sogar als stromerzeugender Bodenbelag oder Matratze zum Einsatz kommen, wie die Forscher anhand eines weiteren Prototyps demonstrieren: Eine 1,83 Meter lange und 69 Zentimeter breite saTENG Matte erzeugte beim wiederholten Berühren mit einer etwa fußgroßen Acrylplatte genügend Strom, um 170 LEDs aufleuchten zu lassen.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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