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Mikroben als „Windfarmer“

Technik|Digitales

Mikroben als „Windfarmer“
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MIkrorotoren beginnen sich in einer Bakterienlösung von selbst geordnet zu drehen - immer abwechselnd mal im, mal gegen den Uhrzeigersinn (Grafik: Amin Doostmohammadi)
Wenn es um Stromgewinnung durch Rotoren geht, denkt jeder als erstes an Windparks. Aber das Prinzip funktioniert auch im Mikromaßstab, wie ein Experiment britischer Forscher belegt. In diesem sorgt eine Bakterienlösung dafür, dass sich winzige Rotoren von allein koordiniert drehen. Trotz normalerweise eher chaotischer Turbulenzen auf dieser Mikroebene lässt sich damit nutzbare Arbeit leisten. Die so gewonnene Energie könnte beispielsweise genutzt werden, um Mikromaschinen anzutreiben, so die Forscher.

„Ein Großteil des Energiebedarfs unserer Gesellschaften liegt im gigawatt-Maßstab, aber es gibt auch einige, die tatsächlich mikroskopisch sind“, sagt Koautor Tyler Shendruk von der Oxford University. Gerade in der Nano- und Mikrotechnologie haben Forscher inzwischen Maschinen und Konstruktionen entwickelt, die beispielsweise das Erbmolekül DNA oder Proteine als Gerüst nutzen und sich mit Hilfe winziger Räder oder Propeller fortbewegen oder vor Ort als biochemischer Minikran, Motor oder Sensor dienen.  „Ein potenzieller Weg, um für solche Mikromaschinen Energie zu prodozieren, könnte es sein, diese Energie direkt aus biologischen Systemen wie Bakterien-Suspensionen zu gewinnen“, erklärt Shendruk. Solche Lösungen eignen sich deshalb gut, weil Bakterien aktiv schwimmen können und unter bestimmten Bedingungen sogar gerichtete Schwärme bilden. Das wiederum erzeugt Strömungen in der Lösung, deren Bewegungsenergie genutzt werden könnte. Allerdings hat das Ganze einen Haken: Bisher galten solche Bakterien-generierten Ströme als zu turbulent und chaotisch, um aus ihnen ohne weiteres nutzbare Energie gewinnen zu können.

Rotorenfelder in Bakterienlösung

Doch die Simulations-Experimente von Shendruk und seinen Kollegen zeigen, dass sich das vermeintlich zu chaotische Verhalten der Bakterien sozusagen „zähmen“ lässt. Für ihren Versuch entwickelten sie eine strömungsdynamische Simulation, die das Verhalten einer Bakterienlösung rekonstruiert. In dieses virtuelle Mikrobenbad senkten die Forscher ein Gitter, auf dem 64 regelmäßig angeordnete Mini-Rotoren angebracht waren. Lagen die Rotoren eher weit auseinander, begannen sie wie erwartet chaotisch und unregelmäßig zu rotieren, einige bewegten sich auch gar nicht. Ähnliches zeigte sich, wenn nur ein einzelner Rotor in der Lösung stand. Doch als die Wissenschaftler den Abstand zwischen den Mini-Rotoren auf rund 40 Mikrometer verringerten, zeigte sich Erstaunliches: Plötzlich ordnete sich ihre Drehbewegung scheinbar wie von selbst. „Sie bildeten plötzlich ein regelmäßiges Muster, bei dem sich benachbarte Rotoren in jeweils entgegengesetzte Richtungen drehten“, berichtet Shendruk. „Die Rotoren ordneten sich von selbst zu einer Art bakterieller Windfarm.“ Der Grund dafür: Jeder Mikro-Rotor erzeugt eine kreisförmige Strömung um sich herum, die die lokalen Turbulenzen ausschließt. Grenzen viele solcher Wirbelströme direkt aneinander, entsteht ein geordnetes Feld.

Nach Ansicht der Forscher eröffnen solche Mikro-„Windparks“ eine neue Möglichkeit, Energie aus aktiver Materie – also beispielsweise aus Bakterienlösungen – zu gewinnen. „Die Fähigkeit, selbst eine kleine Menge an mechanischer Arbeit aus solchen biologischen Systemen zu bekommen ist wertvoll, weil sie keinen Strom von außen benötigen und interne biochemische Prozesse nutzen, um Bewegung zu erzeugen“, sagt Koautor Amin Doostmohammadi von der University of Oxford. Wie er und seine Kollegen erklären, könnten solche Rotorenfelder im Mikromaßstab künftig eingesetzt werden, um beispielsweise Mikromotoren und andere Mikroelektromechanische Anwendungen mit Energie zu versorgen. Auch als eine Art Mikromixer könnten sich die Miniatur-Anlagen nutzen lassen. „Die Natur ist brillant darin, winzige Motoren zu erzeugen und es liegt enormes Potenzial darin, wenn wir verstehen, wie wir ähnliche Konstruktionen nutzen können“, sagt Seniorautorin Julia Yeomans von der Oxford University.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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