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Nanoblumen leicht gemacht

Technik|Digitales

Nanoblumen leicht gemacht
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Dieser komplexe Nanokristall ist einer Rose täuschend ähnlich (Bild: Wim Noorduin)
Auf den ersten Blick gleichen sie ganz normalen Blumen: Wir sehen die fein ziselierten Blütenblätter einer Rose, das zarte Blau von Veilchen und die bizarren Formen exotischer Orchideen. Doch in Wirklichkeit handelt es sich um einen Hingucker der Nanotechnologie. Denn was dort blüht, sind mikroskopisch kleine Strukturen aus Kristallen. US-Forscher haben diese erstaunlichen Miniskulpturen geschaffen, indem sie den Selbstorganisationsprozess dieser Kristalle gezielt manipulierten. Allein durch Änderungen der Temperatur, des pH-Werts und des Kohlendioxidgehalts der Umgebung brachten sie die Nanostrukturen dazu, die gewünschte Form anzunehmen. Nach Ansicht der Wissenschaftler belegen ihre Ergebnisse sehr anschaulich, welche Möglichkeiten der Nanokonstruktion sich eröffnen, wenn man Selbstorganisationsprozesse auf diese Weise für sich arbeiten lässt.

„Die vielfältigen Formen und Muster, die die Natur im Größten wie im Kleinsten hervorbringt, faszinieren Künstler und Wissenschaftler schon seit Jahrhunderten“, erklären Wim Noorduin von der Harvard University in Cambridge und seine Kollegen. Hinter vielen Merkmalen wie Farbe, Benetzbarkeit oder dem mechanischen Verhalten von Naturprodukten stehen hierarchisch gegliederte Nanostrukturen. Ließen sie sich künstlich und maßgeschneidert herstellen, könnte dies zahlreiche Technologien – von der Katalyse über die Optik bis hin zur Statik – verbessern oder sogar völlig neu definieren, so die Forscher. Bisher allerdings sei es nur in Teilen gelungen, gezielt genau die Nanostrukturen herzustellen, die benötigt werden. Denn herkömmliche Konstruktionstechniken funktionieren im Nanomaßstab nicht oder sind viel zu aufwendig. Viele Ansätze nutzen deshalb die Neigung mancher Substanzen, sich aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften von selbst zu bestimmten Formen zusammenzulagern.

Doch bisher hapert es an der Kontrolle dieser Selbstorganisationsprozesse: „Welche Formen bei diesen Prozessen entstehen, ist oft eher unerwartet und kann nur selten gezielt vorhergesagt und herbeigeführt werden“, konstatieren Noorduin und seine Kollegen. Das liege unter anderem daran, dass man sich oft nur darauf konzentriert habe, die Anfangsbedingungen dieser Reaktionen zu beeinflussen. Doch der Blick in die Natur zeigt, dass viele komplexe Formen entstehen, weil sich ihre Umwelt während des Wachstumsprozesses dynamisch verändert hat. So zeigen viele Kalkschalen von Meeresorganismen abrupte Wechsel in ihrem Muster und ihrer Skelettstruktur, die auf Änderungen in der Wasserchemie zurückgehen. Chemische Gradienten sind es auch, die die Form von Bakterienkolonien und selbst unseres eigenen Embryos bestimmen, wie die Forscher erklären.

Manipulation durch Kohlendioxid, pH-Wert und Temperatur

„Mit unserer Studie wollten wir demonstrieren, was allein durch gezielte Veränderung der chemischen und physikalischen Bedingungen möglich ist“, erklärt Noorduin. Als Material für ihre Experimente wählten sie Bariumcarbonat- und Silikat-Kristallkomplexe (BaCO 3 -SiO 2 ). Diese entstehen, wenn Bariumchlorid und Natriumsilikat in Wasser gelöst werden und dann Kohlendioxid eingeleitet wird. Dabei lagern sich zunächst Bariumcarbonat-Kristalle ab. Dies senkt den pH-Wert in ihrer direkten Umgebung, dadurch stoppt die Reaktion und stattdessen beginnt sich Silikat abzulagern. Dies wiederum lässt den pH-Wert wieder steigen und startet erneut die Carbonat-Ablagerung. Allmählich wächst so eine Struktur aus wechselnden Schichten dieser Moleküle heran.

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„Dieses Kristallwachstum geschieht spontan, aber wenn man es beeinflussen will, kann man einfach die Reaktionsbedingungen ändern und so die Form bestimmen, in der diese Kristalle wachsen“, erläutert Noorduin. Erhöht man beispielsweise pulsweise die Kohlendioxid-Konzentration, bilden sich rippenartige Verdickungen im Kristall. Im richtigen Moment eingesetzt, lassen sich so auch breite Blätter erzeugen. Über den pH-Gradienten steuerten die Forscher die Wachstumsrichtung der Strukturen und erzeugten beispielsweise durch wechselnde Gradienten gekrümmte und gerollte Formen. Durch verschiedene Kombinationen dieser Manipulationen entstanden so selbst komplex verzweigte und gedrehte Blütenformen. Diese sind allerdings so klein, dass sie nur mit Hilfe eines Raster-Elektronenmikroskops sichtbar gemacht werden können. Die Vergrößerung aber enthüllt dann, wie verblüffend ähnlich diese Nanostrukturen teilweise ihren natürlichen Vorbildern sind.

Wim Noorduin (Harvard University, Cambridge) et al., Science, doi: 10.1126/science.1234621 © wissenschaft.de – ===Nadja Podbregar
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