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Auch der Härteste Stoff gibt nach

Technik|Digitales

Auch der Härteste Stoff gibt nach
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Das Härteste Material der Welt: Der Diamant, Bild: F.H.M. / pixelio.de
Ein deutsches Forscherteam hat entdeckt, warum sich Diamanten – immerhin das härteste Material der Welt – überhaupt schleifen lassen: Beim Polieren wird die Oberfläche sozusagen weich, es bildet sich zwischen dem Stein und den Diamantsplittern der Schleifscheibe eine Schicht, in der die einzelnen Kohlenstoffatome sehr viel weniger fest aneinander gebunden sind als im Kristall selbst. Diese Schicht kann dann entweder mechanisch mit Hilfe der Scheibe oder chemisch durch das Einwirken des Luftsauerstoffs abgetragen werden. “In dem Moment, in dem der Diamant geschliffen wird, ist der Diamant also kein Diamant mehr”, bringt Michael Moseler vom Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik in Freiburg das Ergebnis der Studie auf den Punkt. Zeigen konnten die Forscher das mit Hilfe aufwendiger Berechnungen, in denen sie das quantenmechanische Verhalten der einzelnen Kohlenstoffatome simulierten. Dieses Verfahren soll in Zukunft auch noch andere bisher ungeklärte Fragen zu Reibungsprozessen zwischen Feststoffen beantworten.

Diamant wird wegen seiner extremen Härte in der Industrie häufig als Schneidewerkzeug und als Bestandteil von Polierpasten verwendet. Doch auch als Schmuckstein ist er begehrt: Seit Jahrhunderten schleifen und polieren erfahrene Handwerker Rohdiamanten zu Brillanten und anderen Formen – mit Hilfe von Diamantsplittern auf einer Gusseisenscheibe. Allerdings ist dabei Fingerspitzengefühl gefragt: Ein Diamant lässt sich nämlich nicht auf jeder Seite gleich gut polieren. Einige Facetten entstehen leicht und werden problemlos glatt und makellos, während sich andere scheinbar gegen das Schleifen sträuben. An solchen Stellen lassen sich auch nur sehr schwer qualitativ gute Oberflächen erzeugen. Wissenschaftler suchen schon lange eine Erklärung für dieses Phänomen – ebenso wie eine Antwort auf die noch viel grundlegendere Frage, warum die Oberfläche des harten Diamanten überhaupt auf die Bearbeitung mit Splittern aus demselben Material reagiert. Moseler und seine Kollegen entwickelten nun eine neue Rechenmethode, mit der sie genau bestimmen konnten, wann und wie sich Atome aus der Oberfläche des Diamanten lösen.

Sie fanden heraus, dass durch die schnelle Reibung zwischen den Diamantsplittern und dem Rohdiamanten beim Schleifen eine neue, weniger feste Kohlenstoffschicht auf dem Rohdiamanten entsteht. Darin sind die Atome nicht mehr streng in Ebenen angeordnet wie im Kristall, sondern liegen vielmehr durcheinander. Beim Polieren wird die weiche Schicht dann auf zwei Wegen abgetragen: Zum einen kratzen die scharfkantigen Diamantsplitter im Schleifrad kleine Kohlenstoffteilchen heraus. Zum anderen kann der Sauerstoff der Luft die Kohlenstoffatome der neuen Schicht angreifen, weil deren Bindungen an ihre Nachbarn erheblich schwächer sind als zuvor im Kristallgitter. Dadurch verschwinden die Kohlenstoffatome sozusagen aus dem Feststoff, weil gasförmiges Kohlendioxid entsteht.

Das Modell kann auch die unterschiedlich guten Polierergebnisse auf den verschiedenen Seiten des Steins erklären: Die weiche Schicht bildet sich nämlich nicht überall gleich schnell. Wo sie schnell entsteht, lässt sich der Diamant leicht schleifen, und wo sie sich nur zögerlich bildet, ist die Bearbeitung eher schwierig. Der entscheidende Faktor ist dabei, wie die verschiedenen Ebenen des Diamantkristalls zur Schleifscheibe orientiert sind. Es macht demnach einen Unterschied, ob die Kristallebenen senkrecht zur Schleiffläche stehen oder ob die Scheibe eher schräg auf die Kristallfläche trifft, entdeckten die Forscher.

Die Ergebnisse seien nicht nur ein Meilenstein in der Diamantforschung, sagt Peter Gumbsch, Direktor am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik: Sie demonstrieren auch, wie mit modernen Methoden Reibungs- und Verschleißprozesse exakt beschrieben werden können. Die Frage danach, wie es möglich sei, Diamanten zu bearbeiten, sei schließlich nur eine von unzähligen ungeklärten Fragen der Materialwissenschaften, betont er.

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Michael Moseler (Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik in Freiburg) et al.: Nature Materials, doi:10.1038/nmat2902 dapd/wissenschaft.de ? Peggy Freede
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