Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Vom Unglück, glatte Haare zu haben

Astronomie|Physik Technik|Digitales

Vom Unglück, glatte Haare zu haben
Eine prächtige Lockenmähne ist nicht schwieriger zu bändigen als traurige Stangenlocken ? im Gegenteil: In lockigem Haar bilden sich nur halb so viele Knoten wie in glattem, hat der Biophysiker Jean-Baptiste Masson von der französischen Ecole Polytechnique in Palaiseau entdeckt. Die nötigen Experimente fanden im Friseursalon statt.

Für Masson ist der menschliche Kopfputz ein “komplexes physikalisches System, bestehend aus Tausenden fast identischen Komponenten.” Zwar seien Haare in der Kosmetikindustrie ein beliebter Forschungsgegenstand. Physikalisch sei das System aber kaum verstanden, berichtet der Forscher. Offen bleibt beispielsweise, wieso sich Haare verknoten, wie die Knoten wieder verschwinden, wo sie entstehen und wie viele sich bilden.

Um sich Klarheit über diese drängenden Fragen zu verschaffen, instruierte Masson einige Friseure, zwischen vier Uhr nachmittags und sieben Uhr abends beim Kämmen zu zählen, wie viele Knoten sich im Haar ihrer Kunden gebildet hatten. Der Forscher wählte den späten Nachmittag für seine Feldforschung, damit Wind und Wetter den Schopf im Laufe des Tages ordentlich zerzausen konnten. Das Ergebnis: Bei gelockten Personen stießen die Friseure im Durchschnitt auf drei verfilzte Stellen, bei Kunden mit glattem Haar auf sechs.

Dieses für ihn überraschende Ergebnis versuchte Masson dann durch ein geometrisches Modell zu erklären: Sowohl Pagenköpfe als auch Löwenmähnen sind dadurch charakterisiert, dass ihre fadenförmigen Einzelteile an einem Ende befestigt sind und sich ansonsten frei bewegen können. Inspiriert wurde Masson durch seine Beschäftigung mit Polymeren, deren Verhalten sich häufig durch rein geometrische Modelle vorhersagen lässt. Auch bei den Haaren, die ja im Grunde ein Biopolymer sind, hatte diese Methode Erfolg: Massons Modellrechnungen belegten, dass die Verknotungswahrscheinlichkeit davon abhängt, in welchem Winkel zwei Haare aufeinandertreffen ? eine Folge ihrer schuppigen Oberflächenbeschaffenheit. Der Winkel sei bei glatten Haaren im Durchschnitt größer als bei lockigen, berichtet der Forscher, weswegen sie häufiger verfilzen.

Nun will Masson seine Feldstudien fortführen und herausfinden, welchen Einfluss es hat, ob die Haare dick oder dünn, fettig oder trocken, strähnig oder seidig sind. Die Untersuchungen hätten auch praktische Anwendungsmöglichkeiten, sagt der Physiker: Mit Hilfe der Haarforschung könnten sich beispielsweise Klettverschlüsse modifizieren lassen.

Anzeige
Jean-Baptiste Masson (Ecole Polytechnique, Palaiseau): American Journal of Physics Bd. 75, Nr. 8, S. 701 Ute Kehse
Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Dossiers
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Mor|pho|ge|ne|se  〈f. 19; Biol.〉 Entwicklung der äußeren Form der Lebewesen; oV Morphogenie; … mehr

♦ hy|dro…, Hy|dro…  〈vor Vokalen〉 hydr…, Hydr… 〈in Zus.〉 wasser…, Wasser… [<grch. hydor … mehr

Ka|pil|la|ri|tät  〈f. 20; unz.; Phys.〉 die physikal. Erscheinung, dass an der Grenze zw. Flüssigkeiten, Gefäßwandungen u. Gasen verschiedenartige Oberflächenspannungen auftreten, die bewirken, dass z. B. verschiedene Flüssigkeiten in engen Röhren bei sonst gleichen Bedingungen verschiedene Höhe einnehmen

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige