Ein deutsch-polnisches Wissenschaftlerteam hat die Neutronenverteilung an der Oberfläche schwerer Atomkerne analysiert. Durch Beschuss mit Antiprotonen konnten sie zeigen, dass sich die Neutronen in der Form eines Halos um die Atomkerne anordnen. Ihre Arbeit ist in dem Fachblatt Physical Review Letters abgedruckt.
Das Team um Till von Egidy benutzte Antiprotonen des LEAR-Beschleunigers am Europäischen Zentrum für Elementarteilchenphysik CERN in Genf, um die Anordnung von Neutronen in schweren Atomkernen zu analysieren. Dazu führten sie zwei unterschiedliche Experimente durch: Zum einen beschossen sie schwere Atomkerne mit Antiprotonen. Wenn diese auf die Atomkernoberfläche treffen, zerstrahlen sich die Quarks der Antiprotonen mit den Quarks der Protonen und Neutronen des Kerns. Die Zerfallsprodukte geben dann Aufschlüsse über die Verteilung der Neutronen auf der Kernoberfläche. In ihrem zweiten Experiment beschossen die Forscher einen dünnen Film aus schweren Atomkernen mit Antiprotonen und analysierten die dadurch entstehende Röntgenstrahlung. Damit erhielten sie Einblicke in die Energiezustände der Oberflächenneutronen.
Die Ergebnisse dieser Experimente legen eine Neutronenanordnung in der Form eines Halos über dem zentralen Kernbereich nahe – genauso wie die Erdoberfläche von einer Atmosphäre umgeben ist. Bisher hatten viele Fachkollegen die Meinung vertreten, dass sich die Neutronen in wohlgeordneten Schalen um den Zentralbereich anordnen. Daher sind die neuen Ergebnisse noch umstritten. Doch einige Forschergruppen haben bereits bekanntgegeben, dass sie die Experimente des deutsch-polnischen Teams wiederholen wollen. Dies könnte Klarheit in den Aufbau schwerer Atomkerne bringen.
Atomkerne großer Masse weisen ein Übergewicht an Neutronen im Verhältnis zu ihrer Protonenzahl auf. Da Neutronen allerdings nur schwer mit anderen Elementarteilchen reagieren, ist über deren Verteilung im Atomkern bisher nur wenig bekannt.
Stefan Maier