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Eine Milliarde für die Quantentechnologie

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Eine Milliarde für die Quantentechnologie
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Einer der ersten Computerchips der Firma D-Wave Systems, die sich der Entwicklung von Quantencomputern verschrieben hat. (Foto: D-Wave Systems)
Nach einem milliardenschweren Projekt zur Erforschung des Gehirns und einem zum Material Graphen will die EU ein drittes Mal einen Fachbereich mit viel Geld nach vorne bringen: die Quantentechnologien. Man erhofft sich neuartige Computer und eine abhörsichere Kommunikation. Dieses Mal gibt es keinen Wettbewerb und keine Konkurrenz von anderen Projekten – die EU habe auf ein wachsendes Potenzial reagiert, sagt der Physiker Tommaso Calarco, der maßgeblich an der Entwicklung des Projekts beteiligt ist.

Die EU-Kommission will die Quantentechnologien mit einer Milliarde Euro fördern und hat Anfang August einen zwölfköpfigen Lenkungsausschuss berufen, der die Struktur ausarbeiten soll. Er wird sich unter der Leitung des Physikers Jürgen Mlynek, der zuletzt Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft war, im September zur ersten Sitzung treffen. Vor drei Jahren hatte die EU nach einem Ideen-Wettbewerb bereits zwei milliardenschwere Projekte auf den Weg gebracht: zur Erforschung des Gehirns und des Materials Graphen. In diesem Fall hat sie nun selbst das Startsignal gegeben; EU-Kommissar Günther Oettinger hatte die grundsätzliche Entscheidung im Mai bekannt gegeben.

Beim früheren Wettbewerb hatten die Quantentechnologien noch keine große Rolle gespielt. Sie seien nur ein kleiner Teil eines umfassenderen Antrags gewesen, berichtet der Physiker Tommaso Calarco von der Universität Ulm. Aber es sei immer wieder darüber diskutiert worden, und die EU und ihre Mitgliedsstaaten hätten immer wieder kleinere Projekte finanziert. Calarco leitet ein junges universitätsübergreifendes Institut für Quantentechnologie, IQST genannt. Er hat die Entwürfe für das nun anlaufende EU-Programm maßgeblich mitgeschrieben und wird im Lenkungsausschuss sitzen. „Inzwischen haben wir die kritische Masse erreicht“, sagt er. Einige Staaten hätten schon eigene Programme aufgesetzt: England stellt mehr als 300 Millionen Euro bereit, in den Niederlanden sind es knapp 150 Millionen. Bundesforschungsministerin Johanna Wanka hatte im Mai – neben der Beteiligung am EU-Programm – ebenfalls ein nationales Programm angekündigt. Und im Oktober habe die Industrie Günther Oettinger ihr Interesse verdeutlicht, berichtet Calarco. „Die Kommission hat letztlich dieses große Engagement anerkannt“, sagt er.

Die Physiker stellen eine Revolution in Aussicht

Bei den milliardenschweren Programmen, die „Flaggschiffprojekte“ genannt werden, erhofft man sich nicht nur grundlegend neue Erkenntnisse, sondern auch anwendbare Technologien. In der Quantentechnologie können das zum Beispiel empfindliche und miniaturisierte Sensoren sein. Vor allem aber will man neuartige Computer entwickeln, in denen eine Recheneinheit nicht mehr nur 0 oder 1 sein kann, sondern auch eine Mischung mehrerer Zustände. Das könnte Rechnungen erheblich beschleunigen, etwa die Simulation komplexer Prozesse. Ein weiteres Phänomen der Quantenwelt, die Verschränkung von Teilchen, könnte eine abhörsichere Kommunikation über große Entfernungen ermöglichen, weil zwei verschränkte Teilchen aufeinander reagieren, auch wenn sie weit voneinander getrennt werden. Voraussetzung für alle diese Anwendungen ist eine Technologie, die es ermöglicht, die sensiblen Quanten so zu behandeln, dass ihre nützlichen Eigenschaften erhalten bleiben. In einem „Manifest“ beschreiben Calarco und seine Kollegen das Potenzial für eine Revolution, wie es auch die Entdeckung der Quantenwelt vor 100 Jahren war, aus der letztlich der Transistor und der Laser hervorgingen.

Eines der Flaggschiffprojekte, das Human Brain Project, hatte einen holprigen Start erwischt. Es gab Proteste zahlreicher Wissenschaftler, ein Mediator wurde eingeschaltet und die Führungsriege schließlich neu besetzt. Das sei aber nicht der Grund, warum man innerhalb der Quantentechnologie ein anderes Vorgehen bevorzuge, sagt Calarco. In einer Umfrage unter Fachkollegen und Vertretern der Industrie habe sich herausgestellt, dass ihnen regelmäßige offene Ausschreibungen lieber seien als eine feste Projektstruktur. Die einzelnen Projekte würden nach wissenschaftlicher Exzellenz und Relevanz für das Programm ausgewählt. Ein starker Strategieausschuss, der aus der Wissenschaft und der Industrie besetzt wird, müsse die Richtung vorgeben, sagt Calarco. „Das Ziel ist, die quantentechnische Revolution in die Industrie zu tragen.“

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Im Auftrag der EU hat Calarco auch Google besucht, wo unter ganz anderen Bedingungen geforscht wird als in Europa üblich. Neuen Ideen werde dort viel mehr Zeit gegeben: Rund zehn Jahre könnten es sein, berichtet Calarco. Außerdem habe man ihm dort zu bedenken gegeben, dass in Europa niemand „auf einem Berg von Geld sitze“ wie manche Firma im Silicon Valley. Aber Calarco gibt sich optimistisch: In Europa würden nun alle an einem Strang ziehen. Und er erinnert an die Chancen, die sich mit der Einführung des Internets ergaben: „Wir können es uns nicht wieder leisten, den Zug zu verpassen.“

© wissenschaft.de – Alexander Mäder
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