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Das Knistern vor dem Bruch

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Das Knistern vor dem Bruch
Keramik, Kreidefelsen, Beton oder Gesteine wie Granit haben eins gemeinsam: Sie sind aus vielen kleinen Körnern zusammengesetzt. Solche granularen Materialien haben viele merkwürdige Eigenschaften. Der Liste fügen Forscher um Troy Shinbrot jetzt eine weitere Kuriosität hinzu: Unmittelbar bevor sich solche Materialien verformen, senden sie elektrische Signale aus, berichten die Forscher in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences. Shinbrot und Kollegen können das Phänomen zwar nicht physikalisch erklären. Sie vermuten aber, dass viele rätselhafte Beobachtungen bei Erdbeben womöglich auf ähnliche Effekte zurückzuführen sind.

Die Forscher führten Experimente mit Mehl und einer Mischung aus dem Pharma-Wirkstoff Acetaminophen (verwendet im Medikament Paracetamol) und winzigen Cellulose-Kristallen durch. Die Eigenschaften dieses Pulvers wurden bereits ausgiebig untersucht. In einem Versuch füllten sie ihre granularen Materialien in eine Art Trommel, die sich beständig drehte (hier ein Video). Die Pulver rutschten dabei nicht gleichmäßig von oben nach unten, sondern es entstanden immer wieder Lawinen. Die Bruchflächen bildeten sich dabei in der Regel an Stellen aus, an denen vorher schon Störungen erkennbar waren. In einem anderen Versuchsaufbau verschoben die Forscher einen mit Pulver gefüllten Quader seitlich gegenüber einem anderen Quader ? eine Konstellation, wie sie ähnlich bei bestimmten Bruchzonen in der Erdkruste wie der San Andreas-Verwerfung vorkommt. Dabei entstanden deutlich sichtbare Risse in dem Pulver.

Während der Versuche registrierten die Forscher die elektrische Spannung an verschiedenen Stellen des Versuchsaufbaus. Während der Experimente mit der Trommel stieg die Spannung fast jedes Mal schlagartig an, wenn eine Lawine losbrach. In den Verformungs-Experimenten sank die Spannung ab, wenn sich ein Spalt öffnete und stieg an, wenn er sich wieder schloss. Mehl und Paracetamol-Pulver produzierten dabei unterschiedlich starke Signale. Besonders erstaunlich: Manchmal trat das elektrische Signal einige Sekunden vor dem Versagen des Materials auf.

Wie die Forscher berichten, erzeugen auch Materialien wie Glas, Kristalle, Gesteine, Eis und Flüssigkeiten wie Quecksilber elektrische Spannungen, wenn sie zerbrechen. Womöglich sei das vorzeitige Auftreten der Spannungsänderungen darauf zurückzuführen, dass sich granulare Materialien vor dem endgültigen Versagen bereits dehnen, wenn sie unter Spannung stehen. Eine physikalische Erklärung für das Phänomen haben die Forscher zwar nicht. Piezoelektrische, elektrostatische und andere bekannte Effekte können sie ausschließen. Auf Zufall beruhen die Ergebnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit aber auch nicht, wie eine statistische Auswertung zeigt.

Nützlich könnten die Ergebnisse nicht nur in der Erdbebenforschung sein, wo immer wieder in Anekdoten über elektromagnetische Vorläuferphänomene wie Erdbebenleuchten berichtet wird. Auch Risse in keramischen Maschinenteilen oder in Betonbauten könnten sich durch elektrische Signale ankündigen spekulieren die Forscher.

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Troy Shinbrot et al. (Rutgers University, Piscataway, New Jersey): Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.1121596109 © wissenschaft.de – Ute Kehse
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