Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Warum Neigezüge reisekrank machen

Technik|Digitales

Warum Neigezüge reisekrank machen
220px_dbag_baureihe_612_neigebetrieb__612_009_1_.jpg
Nahverkehrstriebwagen Baureihe 612 neigt sich in einem Bogen. Bild: A. Gutwein, GNU-Lizenz für freie Dokumentation
Züge, die sich in die Kurve legen, bieten attraktive Vorteile: Sie können schneller fahren als andere Bahnen, die Passagiere bekommen keinen Schubs beim Laufen im Gang und der Kaffee bleibt in der Tasse. Doch diese sogenannten Neigezüge haben bisher auch einen großen Nachteil: Sie erzeugen Reisekrankheit – trotz der ruhigeren Kurvenlage wird es deutlich mehr Fahrgästen übel als in den ruckeligen konventionellen Bahnen. Woher dieser Effekt kommt, war bisher unklar. Jetzt haben Forscher aus der Schweiz und den USA herausgefunden, dass der richtige Zeitpunkt der Neigung des Wagons dabei ausschlaggebend ist: Wird die Kurven-Beschleunigung gleichzeitig durch die Schräglage kompensiert, fühlen sich die Passagiere wohl. Erfolgt die Kompensation aber ständig mit einer kurzen Verzögerung, ist für viele der Spuck-Beutel die letzte Rettung. Die Lösung für das Problem haben Dominik Straumann von der der Universität Zürich und seine Kollegen ebenfalls bereits gefunden: Neigung und Kurven-Beschleunigung lassen sich mit optimierter Steuerungs-Technik beheben. Damit verschwindet auch die Übelkeit, konnten die Forscher bei Testfahrten zeigen.

Jeder, der schon einmal Bahn gefahren ist, kennt die Effekte einer Kurve: die sogenannte Zentrifugalkraft erzeugt eine Seitwärtsbeschleunigung, die den Zug vom Zentrum der Kurve wegdrückt. Je höher die Geschwindigkeit, desto größer ist auch die Beschleunigung, die auf den Zug selbst, aber auch auf Passagiere, Koffer und Co einwirkt. Deshalb müssen konventionelle Bahnen die Geschwindigkeit bei kurvigen Strecken drosseln. Neigezüge können dagegen deutlich schneller fahren, bei gleichzeitig höherem Fahrkomfort. Kontrollsysteme lösen bei ihnen ein Einwärtskippen des Wagons um die eigene Längsachse aus, damit die geschwindigkeitsabhängige Seitwärtsbeschleunigung ausgeglichen wird. Auf vielen Strecken, vor allem in der Schweiz, aber auch in anderen Ländern sind diese Züge deshalb bereits im Einsatz.

Um die Ursachen der vermehrten Fälle von Reisekrankheit in diesen Zügen zu erforschen, haben die Wissenschaftler in der aktuellen Studie die Befindlichkeit von 200 Passagieren bei Testfahrten analysiert. Die Hälfte der Passagiere hatte angegeben, dass es ihnen in Neigezügen schlecht wird. Einige der Probanden trugen während den Fahrten einen Sensor, mit dem die Beschleunigungskräfte ermittelt wurden. Im Abstand von zehn Minuten gaben sie zudem Auskunft über ihre Verfassung. Im Test waren auch das derzeit übliche und ein neues Kontrollsystem für die Neigungsbewegung der Wagen.

Das Ergebnis der Testreihe zeigte: Nicht die Größe des Neigungswinkels spielt eine Rolle, sondern das richtige Timing. Wird die Beschleunigung nämlich gleichzeitig durch die Neigung kompensiert, fühlen sich die Passagiere wohl, erfolgt die Kompensation aber wie bislang mit einer kurzen Verzögerung, können sie reisekrank werden. Bei Fahrten mit dem bisher üblichen System werden Messdaten auf Höhe der Lokomotive verwendet, um die Neigungswinkel der folgenden Wagen zu berechnen. Das führt zu einer etwas verspäteten Neigung vor allem der vorderen Wagen, erklären die Wissenschaftler. Im sogenannten prädikativen Modus verfügt der Bordcomputer dagegen über Informationen der gesamten Zugstrecke und kann die Wagen exakt zeitgleich mit der Seitwärtsbeschleunigung in den Kurven neigen. Mit diesem System trat den Untersuchungen zufolge bei den Passagieren keine Änderung des Befindens auf. Die erfreuliche Nachricht für alle übelkeitgeplagten Reisenden ist dabei: Die Kontrollsysteme, die prädikative Fahrten ermöglichen, lassen sich relativ einfach in die bestehenden Züge einbauen und könnten so schon bald für Wohlbefinden sorgen, sagen die Wissenschaftler.

Mitteilung der Universität Zürich wissenschaft.de – Martin Vieweg
Anzeige
Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Ka|pern|strauch  〈m. 2u; Bot.〉 Echter ~ im Mittelmeergebiet heimischer Gewürzstrauch, der Kapern liefert: Capparis spinosa

Te|nor|schlüs|sel  〈m. 5; unz.; Mus.〉 C–Schlüssel, Notenschlüssel auf der vierten Linie, der anzeigt, dass dort der Ton c liegt

Flug|zeug|ab|wehr|ge|schütz  〈n. 11〉 = Flugzeugabwehrkanone

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige