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Nase ans Steuer

Technik|Digitales

Nase ans Steuer
Ein Schlauch in der Nase könnte in Zukunft Menschen mit schweren körperlichen Behinderungen bei der Kommunikation helfen. Israelische Wissenschaftler haben jetzt ein derartiges Hilfsmittel entwickelt, mit dem sich Texte schreiben oder sogar Rollstühle steuern lassen. Gedacht ist das System für Menschen, bei denen der gesamte Körper gelähmt ist, etwa Querschnittsgelähmte oder Patienten mit einem sogenannten „Locked-in-Syndrom“, die zwar bei vollem Bewusstsein sind, sich aber praktisch nicht mitteilen können. Das neue System setzt nun auf gezielte Luftstöße durch die Nase, eine Bewegung, die auch bei schwersten Lähmungen im Allgemeinen noch durchführbar ist. Erste Tests mit Patienten waren sehr erfolgreich.

Beim Locked-in-Syndrom, das auch Eingeschlossensein genannt wird, ist fast der gesamte Körper gelähmt. Es tritt entweder als Folge eines Schlaganfalls, einer degenerativen Erkrankung wie ALS oder eines Unfalls auf. Die Patienten können alles hören und verstehen, die zum Sprechen oder für Bewegungen nötige Muskulatur lässt sich bei ihnen jedoch nicht ansteuern. Viele sind lediglich in der Lage, durch Blinzeln oder eine Gehirn-Computer-Schnittstelle Ja-Nein-Fragen zu beantworten. Mit beiden Hilfsmitteln kann der Patient zwar mit seiner Umwelt kommunizieren, keine davon erlaubt ihm jedoch, sich schnell, präzise und eigenständig auszudrücken.

Noam Sobel und seine Kollegen haben nun jedoch entdeckt, dass beim Locked-in-Syndrom und auch anderen Krankheiten mit schweren Lähmungen die Möglichkeit erhalten bleibt, Luft gezielt durch die Nase ein- und auszuatmen. Um das auszunutzen, entwickelten sie ein Gerät, das Druckänderungen in der Nase misst und diese in präzise elektrische Signale umwandelt. Zunächst prüften gesunde Teilnehmer die Funktionen des Apparates. Dabei traten sie in einem Computerspiel gegeneinander an, je 12 Teilnehmer nutzten dafür eine Nasensteuerung, eine Computermaus oder einen Joystick. Überraschendes Ergebnis: alle hatten dieselbe Reaktionszeit.

Anschließend versuchten Locked-in-Patienten und Menschen, die unter einer schweren Form der Querschnittslähmung litten, mit der Nasensteuerung Texte zu schreiben. Ergebnis: Schon nach kurzem Training wählten sie mit Luftstößen zielsicher einzelne Buchstaben oder Worte aus einer Wort-Vervollständigungs-Liste aus.

Sogar einen Rollstuhl konnten die Probanden mit dem System steuern: Ein spezieller Luftstoß-Code legte dabei die Fahrtrichtung fest. So bedeuteten zwei aufeinanderfolgende tiefe Luftstöße beispielsweise „rückwärts“. Resultat zahlreicher Testfahrten auf einer komplizierten 35-Meter-Strecke: Querschnittsgelähmte können diese mit der Nasensteuerung präzise abfahren und sind dabei genauso schnell wie Menschen ohne Behinderung. Die Gefahr, dass die Nasensteuerung einen normalen Atemzug mit einem gezielten Atemstoß verwechselt, besteht nicht, schreiben die Wissenschaftler. Denn: Mit ein wenig Training lasse sich beides unabhängig voneinander steuern. Selbst bei Menschen, die künstlich beatmet werden müssen, könne ein ähnliches Gerät eingesetzt werden. Als nächstes wollen die Neurobiologen die Nasensteuerung multitaskingfähig machen, damit der Benutzer beispielsweise gleichzeitig sprechen und rollstuhlfahren kann.

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Noam Sobel (Weizmann Institute of Science, Rehovot, Israel) et al.: PNAS, Online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1073/pnas.1006746107 ddp/wissenschaft.de ? David Köndgen
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