Seit 2011 arbeitet das Team um Ingenieur Rudolf Voit-Nitschmann von der Universität Stuttgart am e-Genius, einem Zweisitzer in Leichtbauweise. Denn anders als etwa Sportgleiter, die nur mit einem Kraftstoff-Motor betrieben werden, ist der Motor am e-Genius nicht am Bug, sondern über dem Heck platziert. Deshalb konnten die Forscher dort auch einen Propeller mit größerem Durchmesser installieren, der wiederum die Flugleistung erhöht und nicht Gefahr läuft, auf dem Boden aufzusetzen. Mit einer Schnauze ohne Propeller konnten die Flugzeugbauer zudem besonderes Augenmerk auf eine optimale Aerodynamik des E-Fliegers legen und den Luftwiderstand so weit wie möglich drosseln.
Härtetest Alpen
Mit dem Elektro-Flieger haben die Ingenieure schon einige Testflüge absolviert. Dabei konnte das 900 Kilogramm schwere Flugzeug aus Carbon eine Strecke von 400 Kilometer bei einer Geschwindigkeit von 160 Kilometer die Stunde überwinden. Nun ging es aber daran, den e-Genius einem Härtetest zu unterziehen: Am ersten Juli-Wochenende schickten die Forscher ihren Flieger über die Alpen. Am Steuer saßen ein Profi-Pilot sowie ein Ingenieur vom Institut für Flugzeugbau der Universität Stuttgart. Von Stuttgart aus startete auch die Überquerung Richtung Italien. Zielort war Calcinate del Pesce unweit des Lago Maggiore.
Gut zwei Stunden benötigte der Flieger, um die Distanz von 320 Kilometern hinter sich zu bringen, wobei er auf eine Höhe von bis zu 4000 Metern aufstieg. Nachdem die Akkus am Zielort wieder aufgeladen waren, traten die Piloten den Rückflug an, der allerdings mehr Zeit in Anspruch nahm: Um die besonders steil ansteigenden Schweizer Südalpen zu überwinden und auf 4000 Metern Höhe über den Gotthardpass zu kommen, mussten die Piloten mehr Zeit für den Steigflug investieren und einen weiteren Weg, 365 Kilometer, nach Hause fliegen.
Weder Fluglärm noch CO 2-Belastung
Doch die Energiebilanz des Elektro-Fliegers kann sich sehen lassen: Für Hin- und Rückflug verbrauchte der e-Genius 83 Kilowattstunden Strom. Das entspricht dem Energiegehalt von 9,2 Litern Benzin und einem Ökostrom-Preis von ungefähr 21 Euro. Einen besonderen Vorteil sieht Projektleiter Rudolf Voit-Nitschmann vor allem bei den „Kinderkrankheiten“ der regulären Luftfahrt: Lärm, hoher Energieverbrauch und Klimaschädlichkeit. „Wir können mit dem e-Genius zeigen, dass der elektrische Antrieb im Flugzeug zuverlässig, lärmarm und mit herausragender Energieeffizienz funktioniert.“ Ebenso ließe sich mit elektrisch betriebenen Flugzeugen der CO 2-Ausstoß deutlich vermindern.
Schneller als die Konkurrenz
Mit ihrer Alpenüberquerung sind die Stuttgarter Forscher auch um wenige Tage einem parallelen Projekt des Airbus-Konzerns vorweg gekommen. Dessen Entwickler wollen am 10. Juli 2015 ihren Elektro-Flieger E-Fan über den Ärmelkanal schicken. Das mit Turbinen betriebene Gefährt ist mit einem Gewicht von 500 Kilogramm um einiges leichter als der e-Genius und kann eine höhere Maximalgeschwindigkeit von 220 Kilometern die Stunde erreichen. Was den Zeitpunkt eines historischen Testflugs angeht, waren die Stuttgarter allerdings etwas schneller.