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10000 Dollar aus der Portokasse

Allgemein

10000 Dollar aus der Portokasse
Die USA und Japan könnten in Sachen Forschung ein Vorbild sein für Deutschland – sagen Philip Morris Forschungspreisträger.

„Die Amerikaner haben diesen ausgeprägten Entdeckergeist“, betont Prof. Norbert Hampp von der Universität Marburg über die Wissenschaftswelt der Vereinigten Staaten. „Sie forschen auch, ohne genau zu wissen, was dabei rauskommt. Bei uns will man eine präzise Vorhersage aller erdenklichen Möglichkeiten, bevor man mit einem Forschungsprojekt loslegen kann.“ Dinge optimistischer zu sehen, sei eine Eigenschaft, die in der amerikanischen Gesellschaft verbreitet ist, beurteilt der Dozent für Physikalische Chemie die Mentalität der Amerikaner – und das sei auch in der Forschung zu spüren: „Die Amerikaner sind generell eher bereit, einer neuen Idee zu folgen.“ Die Philip Morris Stiftung hatte 104 ihrer Preisträger befragen lassen: Welches Land kann in Sachen Forschung ein Vorbild für Deutschland sein? Die meisten antworteten mit „USA“ (siehe Grafik). Auch in Japan haben es Wissenschaftler einfacher: Der ostasiatische Inselstaat folgt in der Befragung – mit erheblichem Abstand – an zweiter Stelle. Was ist in Japan besser als hierzulande – trotz andauernder Wirtschaftskrise? „Der Enthusiasmus und die gesellschaftliche Akzeptanz, die der Forschung entgegengebracht werden“, antwortet Prof. Wolfgang Heckl von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. „Die Japaner haben ein offenes, positives Wesen“, fügt er hinzu. „Sie sehen nicht vorrangig die negativen Seiten. Wenn Sie hier in Deutschland einen Vortrag halten, werden erst die kleinen Fehler gesehen und nicht das, was gut gemacht wurde.“ Auch in den USA hat der Physiker und Geobiologe überaus positive Erfahrungen gesammelt. Etwa als er vor wenigen Wochen in Los Angeles einen Vortrag über seine Forschung zum Ursprung des Lebens (siehe „Dreck am Badewannenrand“, S. 45) hielt: Da überreichte ein begeisterter Plastiktütenhersteller einen 10000-Dollar-Scheck als Unkostenbeitrag für das gemeinsame Abendessen an die gastgebende Institution – „einfach so“. Diese Geste sei ein Synonym für das gesellschaftliche Interesse an Wissenschaft, sagt Heckl. „Da kommt jemand und spendet 10000 Dollar, weil er Forschung toll findet – wo passiert denn so etwas in Deutschland?“ Hierzulande sei die Wertschätzung weder bei den Politikern, noch bei der Bevölkerung besonders verbreitet. Als weiteren wichtigen Punkt nannten die Philip Morris Preisträger die bessere Förderung – vor allem dank einer hervorragenden Kooperation zwischen Forschung und Industrie. „Ein neues risikoreiches Projekt ist in den USA viel leichter zu finanzieren“, sagt Norbert Hampp. „Die Umsetzung ist unkomplizierter, weil zwischen Universitäten und Industrie vielfältige etablierte Kontakte bestehen.“ Das bestätigt Prof. Theodor W. Hänsch vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik: „Es ist erfreulich, wie schnell man Dinge verwirklichen kann, wie schnell einem Enthusiasmus entgegenschlägt“, bestätigt er aus seiner langjährigen Erfahrung in den Staaten. „Etwas in Bewegung zu setzen – das ist für einen jungen Wissenschaftler in den USA sicherlich sehr viel leichter.“ „Die Forschung in den Staaten ist extrovertierter“, sagt Prof. Markus Böhm von der Universität Siegen. „Man präsentiert seine Ergebnisse sehr selbstbewusst, auch wenn sie noch nicht perfekt sind.“ Leistung sei mehr gefragt und werde auch honoriert, fügt der Mikroelektroniker hinzu: „Wer sich einen Namen gemacht hat, wird auch besser bezahlt.“ Zudem ist die Bürokratie jenseits des Atlantiks weniger langsam und gehört häufig überhaupt nicht in das Aufgabengebiet der Wissenschaftler. Daher könnten sie den ganzen Tag ihren Studien nachgehen. „Diese Einschätzung ist sicher ein wenig ungerecht“, meint Hampp. „Entlastungen dieser Art beruhen sicher auch darauf, dass man Gast ist, und sind nicht systemimmanent.“ Doch nach Meinung der Gewinner des Philip Morris Forschungspreises liegt in Deutschland einiges im Argen. So sei die Stiftungsgesetzgebung sehr kompliziert und sollte geändert werden, empfiehlt Wolfgang Heckl. „Philip Morris ist eine der wenigen Firmen, die sich im Stiftungswesen engagieren.“ Mit dem Forschungspreis „ Herausforderung Zukunft“, der in diesem Jahr zum 20. Mal vergeben wird, prämiert die Stiftung jährlich vier Wissenschaftler oder Forscherteams für richtungsweisende Entwicklungen. Bisher haben 135 Wissenschaftler die Auszeichnung erhalten. Mit dem Preis will die Stiftung auch das gesellschaftliche Interesse an der Forschung erhöhen. „Das ist ein lobenswertes Beispiel“, sagt Heckl und fügt hinzu: „Das Wissenschaftssponsoring in Deutschland ist unterbelichtet.“ Auch sonst klemmt es in Deutschland an vielen Ecken: „Ein Lehrer wird mit 2500 Euro im Jahr für Lehrmaterialien abgespeist – damit kann keiner einen modernen Unterricht machen.“ Die naturwissenschaftliche Erziehung werde völlig vernachlässigt, schimpft Heckl: „Das ist doch ein Armutszeugnis: Weil unsere eigenen Leute so schlecht ausgebildet werden, müssen wir Greencards vergeben.“

Cornelia Pfaff

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