Bis zu 2400 Tötungsdelikte sollen jährlich unerkannt bleiben, weil Hausärzte die Leichenschau nicht korrekt durchführen. Ist der Vorwurf gerechtfertigt?
Ob die Zahl stimmt, kann ich nicht beurteilen. Aber der Vorwurf an meine Kollegen ist sicher nicht zutreffend. Zunächst einmal dient die äußere Leichenschau der Feststellung, ob der Patient tot oder reanimationsfähig ist. Daneben gibt es auch Rechtsinteressen, etwa die Feststellung eines natürlichen Todes.
Was ist so schwierig an der Leichenschau? Wie wird sie korrekt vorgenommen?
Natürlich muss pietätvoll vorgegangen werden. Aber das ist kein Hindernis für eine Leichenschau lege artis. Das heißt, der Verstorbene wird unbekleidet von allen Seiten inspiziert.
Wie oft haben Sie selbst schon eine Leichenschau vorgenommen?
Das kommt gar nicht so selten vor, bestimmt 25-mal im Jahr. Dabei handelt es sich natürlich nicht nur um eigene Patienten, sondern häufig um Fälle im Notdienst.
Kennen Sie persönlich Fälle, in denen fälschlicherweise ein natürlicher Tod bescheinigt wurde?
Nein. Aber es gibt hin und wieder solche Fälle. Doch mir ist keiner bekannt, wo die Staatsanwaltschaft eine Verletzung der Sorgfaltspflicht des Arztes festgestellt hat.
Was halten Sie davon, amtliche Leichenbeschauer einzusetzen?
Diese Idee basiert auf dem Generalverdacht, dass jeder Tote gewaltsam gestorben ist. Die Menschen sterben aber in der Regel eines natürlichen Todes, dem meist eine Erkrankung vorausgegangen ist. Im Übrigen kann auch eine zweite äußere Leichenschau keine Gewissheit bringen. Dies kann nur eine innere Leichenschau leisten. Und die dürfen nur Gerichtsmediziner vornehmen.