bild der wissenschaft: Herr Okounkov, sie haben 2006 die Fields-Medaille bekommen, die höchste Auszeichnung in Mathematik. Warum sind Sie besser als andere?
OKOUNKOV: Ich bin gar nicht besser, jedenfalls bin ich kein Superman. Ich habe nur viele intelligente Leute getroffen, von denen etliche meine Mitarbeiter geworden sind. Etwa die Hälfte meiner Zeit arbeite ich allein, die andere Hälfte jedoch in Kooperation mit Kollegen. Das wäre anders gar nicht möglich. Bei großen mathe-matischen Problemen braucht man die Expertise anderer – deshalb ist es wichtig, sich mit Kollegen auszutauschen.
bdw: Könnte es einen Punkt geben, an dem in der Mathematik alle Fragen gelöst sind?
OKOUNKOV: Das wird niemals passieren. Die Mathematik ist ja keine Landkarte mit ein paar weißen Flecken. Mit jeder neuen Idee oder Kombination von Arbeiten ergeben sich neue Perspektiven und oft unerwartete Verbindungen bisher unabhängiger Theorien.
bdw: Das klingt so, als würde die Mathematik vor allem um sich selbst kreisen …
OKOUNKOV: Wissenschaft ist zwar eine Art Kunst, und vor allem die Mathematik hat eine innere Harmonie und Schönheit, nach der wir streben. Das ist aber kein Selbstzweck, sondern eröffnet etliche Möglichkeiten für andere Disziplinen. Die Mathematik wurzelt tief in anderen Naturwissenschaften, und es ist befriedigend zu sehen, wenn unsere Rechnungen mit experimentellen Beobachtungen übereinstimmen. Noch besser ist es natürlich, wenn die Mathematik Vorhersagen über Phänomene macht, die noch niemand beobachtet hat, oder wenn sie vorausahnt, was in den Naturwissenschaften an Bedeutung gewinnt.
bdw: Welche Talente braucht man als Mathematiker?
OKOUNKOV: Mathematik erfordert Intuition und Kreativität, manchmal sind aber auch Routinearbeiten nötig, zum Beispiel wenn man Programme schreiben muss. Mathematik ist jedenfalls keine Wissenschaft, bei der man die Ärmel hochkrempelt und dann drauflos arbeitet. Aber die Herangehensweise ist sehr individuell.
bdw: Wer erzählt, dass er Mathematik studiert hat, wird oft wie ein Außerirdischer beäugt. Woher kommt dieses merkwürdige Image?
OKOUNKOV: Sie sollten mal in die USA gehen! Dort verschwindet die Mathematik völlig aus dem öffentlichen Bewusstsein, es zählt nur die Popkultur. In Deutschland sehe ich das Problem eher auf institutioneller Seite, wo es derzeit Konflikte um Räume und Geld gibt. Ich finde, das Ansehen der Mathematik in Europa ist ganz gut.
bdw: Trotzdem arbeiten Sie an der Princeton University in den USA.
OKOUNKOV: Die Arbeitsbedingungen sind dort schon sehr gut. Doch hauptsächlich bin ich in den USA, weil meine Frau für die Deutsche Bank in New York arbeitet.
Das Gespräch führte Bernd Müller ■