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Als der Fahrer aus dem Wagen stieg,

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Als der Fahrer aus dem Wagen stieg,

Als der Fahrer aus dem Wagen stieg, mit dem er gerade das Auto seines Vordermanns gerammt hatte, hielt er das Handy immer noch ans Ohr. Episoden wie diese sorgen schon seit Längerem für Zweifel, ob Telefonieren beim Lenken und Verkehrssicherheit zusammenpassen.

Donald Redelmeier und Robert Tibshirani von der University of Toronto gingen dem Verdacht nach. Sie werteten die Protokolle von fast 700 Unfallfahrern aus. Dabei zeigte sich: Das Risiko eines Crashs steigt auf das Vierfache, wenn der Fahrer telefoniert. Die Ergebnisse wurden 1997 im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht.

Der deutsche Gesetzgeber hat aus solchen Erkenntnissen eine eigenwillige Konsequenz gezogen:

• Wer beim Autofahren mit Handy am Ohr geschnappt wird, zahlt 40 Euro.

• Wer dank Freisprecheinrichtung die Hände am Steuer lässt, darf plaudern – mit dem Segen des Gesetzes.

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Diese Vorschrift könnte aus dem Rathaus von Schilda stammen. Denn alle wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen: Die Hand am Handy ist das kleinste Problem. Die wirklich fatale Störung entsteht im Kopf. Telefonierende Autofahrer sind oft mit Blindheit geschlagen, weil ihre Aufmerksamkeit dem Gespräch und nicht dem Verkehr gilt.

Frank Drews, ein deutscher Psychologie-Professor an der amerikanischen University of Utah, hält Freisprechanlagen deshalb für eine Farce. Darauf deuteten schon die Ergebnisse von Redelmeier hin. Den bis dato ausstehenden Beweis hat Drews nun mit seinem amerikanischen Universiätskollegen David Strayer geliefert. Die beiden ließen 121 Versuchspersonen im Simulator hinter einem anderen Auto herfahren. Wenn die Teilnehmer dabei telefonierten, rammten sie den Wagen des Vordermanns doppelt so oft wie bei ungestörter Fahrt. Ob sie das Gerät in der Hand hielten oder frei sprachen, spielte wieder einmal keine Rolle.

Die virtuelle Schadensbilanz ist kein Wunder: Die schwatzenden Fahrer brauchten fast 20 Prozent länger, um auf die Bremse zu treten. Die Reaktionszeit der 20-Jährigen entsprach der von ungestörten 70-Jährigen.

Beim Telefonieren sehen die Augen das Geschehen zwar, doch das Gehirn nimmt es nicht mehr richtig auf. Das Problem liegt dabei weniger in der Konversation an sich, sondern in der speziellen Variante des Fernsprechens. Wer mit seinem Beifahrer redet, verfehlt die richtige Abfahrt viel seltener als der Telefonierer, so ein weiteres Ergebnis. Denn Beifahrer sehen den Verkehr. Sie geben sinnvolle Hinweise oder halten wenigstens den Mund, wenn der Fahrer sich konzentrieren muss.

Auch Radios sind harmlos, denn sie erwarten keine Antworten. Beim Gesprächspartner am Telefon ist das anders. „Da muss ich überlegen, was ich an klugen Sachen sagen kann“, kommentiert Drews, „und das erfordert wesentlich mehr kognitiven Aufwand als das passive Zuhören.“

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