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Als die Erde durch die Hölle ging

Allgemein

Als die Erde durch die Hölle ging
Nach ihrer Geburt war die Erde mit einem Ozean aus glühender Lava bedeckt und wurde mit Kometen und Planetoiden bombardiert. Inmitten dieses Infernos könnte das erste Leben entstanden sein.

Und Gott sah, dass es gut war… Das galt offenbar nicht für den ersten Entwurf der Erde. Denn Gott entschloss sich, die Erde ein zweites Mal zu modellieren. Und dafür schickte er sie durch die Hölle. „Hadäan“ oder „Höllenzeitalter“ – so nennen die Geologen den Zeitraum, der mit der Entstehung der Erde vor 4,56 Milliarden Jahren begann und vor 3,8 Milliarden Jahren endete. Eine Vielzahl neuer Forschungen kommt nun den Ereignissen in den ersten 200 Millionen Jahren dieser Urzeit auf die Spur – bis hin zur Frage nach der Anfängen des Lebens. Höllisch war schon der Startschuss: Der Rohstoff für die Bildung unseres Sonnensystems stammt teilweise aus einer Supernova – der Explosion eines ausgebrannten massereichen Sterns. Sie hat die Gas- und Staubwolke, aus der die Sonne und ihre Planeten entstanden, mit schweren Elementen angereichert. Durch die Gravitation verdichtete sich diese Urmaterie. Kleinplaneten entstanden, zogen mehr Masse an sich und kollidierten. So wuchs die „erste Erde“ heran. Dabei wurde so viel Kollisionsenergie frei, dass die Erde zunächst von einem Ozean aus geschmolzenem Gestein bedeckt war. „ Man weiß nicht genau, wie lange es einen Magma-Ozean gab – aus energetischen Überlegungen vielleicht ein paar dutzend Millionen Jahre“, erklärt der Mineraloge Carsten Münker von der Universität Münster. Er gehört zu einem Team von Wissenschaftlern, die mit Hilfe der in jedem Gestein vorhandenen schwachen Radioaktivität präzise Altersbestimmungen vornehmen. Der heutige Kern der Erde entstand erst später. „Aus Messungen von Wolfram-Isotopen in irdischem Gestein und Meteoriten weiß man, dass der Erdkern wahrscheinlich erst vor etwa 4,51 Milliarden Jahren entstanden ist“, sagt Münker. Während der Bildung des Erdkerns müssen zumindest große Bereiche des Erdinnern noch geschmolzen gewesen sein. Nur so konnte sich das schwere Eisen von den leichteren Silikaten trennen und nach unten fallen. Selbst wenn sich auf der Erde zu diesem Zeitpunkt bereits die erste feste Kruste gebildet haben sollte, schmolz diese aufgrund der gewaltigen Gravitationsenergie, die durch das absinkende Eisen in Wärme umgewandelt wurde, wieder auf. Vielleicht bildete sich gerade zum zweiten Mal eine feste Kruste, als die junge Erde plötzlich mit einem anderen Planeten kollidierte, der – wie aktuelle Rechnungen zeigen – etwa die Größe des Mars gehabt haben muss. Aus radioaktiven Untersuchungen an Erd- und Mondgestein schließen Forscher, dass der Mond – ebenfalls vor rund 4,51 Milliarden Jahren – bei dieser Kollision entstanden ist. Der fremde Planet und die Protoerde verschmolzen zur „zweiten Erde“. Und aus den übrig gebliebenen Trümmern in der Erdumlaufbahn formte sich der Mond. Zu diesem Zeitpunkt muss sowohl die Bildung des Erdkerns als auch die des anderen Planetenkerns schon fast abgeschlossen gewesen sein. „Denn der Mond hat nur einen sehr kleinen Kern. Computersimulationen zeigen, dass bei der Kollision die beiden Kerne der Protoerde und des fremden Planeten miteinander verschmolzen sind, während der Mond durch Rotation aus den beiden Silikathüllen gebildet wurde“, erklärt Münker. Zusammen mit seinen Kollegen vom Münsteraner Zentrallabor für Geochronologie hat Münker herausgefunden, dass die Erde vor 4,51 Milliarden Jahre, also rund 50 Millionen Jahre nach ihrer Entstehung, noch keine feste Kruste besaß. Die Wissenschaftler führten den Nachweis anhand des Vergleichs von Meteoritengestein mit altem Erdgestein. Sie untersuchten dazu in beidem Gestein das Verhältnis der Zirkonium-Isotope Zr-92 und Zr-91 zueinander. Zr-92 entsteht beim Zerfall des radioaktiven Niob-92-Isotops. Es wurde vor 4,6 Milliarden Jahren in der Supernova gebildet, deren Explosion den Rohstoff für unser Sonnensystem lieferte. Die Halbwertszeit von Nb-92 liegt bei etwa 36 Millionen Jahren. Damit und mit dem Wissen, dass Nb-92 und sein Zerfallsprodukt Zr-92 sich bei Bildung einer Kruste auf dem Magma-Ozean chemisch unterschiedlich verhielten und sich deshalb in verschieden großen Anteilen auf die Erdkruste und den darunter liegenden Erdmantel aufteilten, konnten die Münsteraner Wissenschaftler ihre „ geologische Uhr“ stellen. Während das Team aus Münster herausfand, dass es vor 4,51 Milliarden Jahren – nach der Kollision der Erde mit dem Urplaneten – noch keine feste Erdkruste gegeben haben kann, hat eine internationales Forschergruppe um John Valley von der University of Wisconsin in Madison anhand der Untersuchung von Zirkon-Kristallen nachgewiesen, dass eines dieser Kristallkörnchen 4,4 Milliarden Jahre alt ist und dass es damals Bestandteil eines kontinentalen Krustengesteins war. Gefunden wurde es allerdings in jüngerem Sedimentgestein in Westaustralien. Darin waren die robusten Kristallkörnchen abgelagert worden, nachdem ihr ursprüngliches „ Gastgestein“ längst erodiert oder geschmolzen war. Dieses winzige Kristallkörnchen mit dem doppelten Durchmesser eines menschlichen Haares barg eine weitere Überraschung: Die Geologen fanden darin eine ungewöhnlich große Menge an schwerem Sauerstoff O-18. Dies ist ein sicheres Indiz dafür, dass das ursprüngliche Gastgestein des Zirkon-Kristalls Kontakt mit flüssigem Wasser hatte! Bisher war man davon ausgegangen, dass die Erde erst gegen Ende des Hadäan – vor 3,8 Milliarden Jahren – Temperaturen unterhalb von 100 Grad Celsius erreichte und damit die Kondensation von Wasserdampf zu Ozeanen ermöglichte. Bei dem Stichwort „Wasser“ werden viele Wissenschaftler hellhörig, weil Wasser als die Grundvoraussetzung für die Entstehung des Lebens gilt. Norman Sleep von der Stanford University und Kevin Zahnle von der NASA haben deshalb in einer Modellrechnung abgeschätzt, wann auf der Erde erstmals Bedingungen geherrscht haben können, die die Entstehung von Leben ermöglichten. Dabei stimmten sie ihre Untersuchung zunächst auf die heutigen Hitzerekordhalter unter den Lebewesen ab, die thermophilen Bakterien. Sie gedeihen bei Temperaturen zwischen 80 und 115 Grad Celsius in der Tiefsee – also dort, wo heiße Glut aus dem Erdinnern aufsteigt. Dass die Temperatur der Erdoberfläche vor 4,4 Milliarden Jahren unter 100 Grad Celsius lag, verraten die Zirkon-Kristalle. Entscheidend für die Entwicklung von thermophilen Bakterien ist dabei die Frage, wie lange die Erde eine Temperatur zwischen 80 und 115 Grad halten konnte, wir rasch sie sich also abkühlte. Ausgehend von einer Energie von 500 Billiarden Hiroshima-Bomben, die bei dem Zusammenprall der Erde mit dem fremden Planeten frei wurde, gelangten Sleep und Zahnle zu dem Ergebnis, dass die Erde den thermophilen Bakterien höchstens einige Millionen Jahre lang konstant erträgliche Temperaturen bieten konnte – aber nur etwa einen Kilometer unter der Erdoberfläche, wo sich die Bakterien hätten einnisten müssen. Dann wurde es für sie zu kühl. Dem jungen Leben – falls es damals wirklich schon existierte – drohten weitere Gefahren: Die Erde wurde mit Planetoiden und Kometen bombardiert, die die Ozeane teilweise oder ganz verdampfen ließen. Das kann man aus dem Alter und der Anzahl der Mondkrater schließen, die zu jener Zeit ebenfalls entstanden. „ Damals gab es hundert- bis tausendmal mehr erdnahe Objekte im Sonnensystem als heute“, sagt Kevin Zahnle. „Pallas und Vesta im Planetoidengürtel haben genau die richtige Größe, um bei einem Einschlag die Erdmeere zu verdampfen. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass damals unter den erdnahen Objekten keine derartig großen Planetoiden waren. Nach dem Einschlag eines solchen Himmelskörpers kann die Oberflächentemperatur der Erde mehrere Wochen lang durchaus über 3000 Grad Celsius gelegen haben.“ Auch wenn die Bakterien unter der Erdoberfläche vor diesen horrenden Temperaturen sicher gewesen wären: Einige Millionen Jahre sind für die Entstehung des Lebens wenig Zeit. „ Die Annahme, dass thermophile Bakterien innerhalb dieses kurzen Zeitraums entstanden sind, macht die Dinge kompliziert“, sagt Sleep und denkt gleich in die entgegengesetzte Richtung: „Ich glaube, dass das Leben bei niedrigen Temperaturen entstanden ist.“ Zusammen mit Zahnle vertritt Sleep eine Variante der Schneeball- Erde-Theorie. Die beiden vermuten, dass das bei den Planetoideneinschlägen hoch geschleuderte, feinkörnige Material Kohlendioxid aus der Atmosphäre an sich gebunden und anschließend in Sedimenten abgelagert hat. Durch das Fehlen des Treibhausgases Kohlendioxid wäre die Oberflächentemperatur auf der inzwischen abgekühlten Erde zwischen zwei Planetoideneinschlägen laut Zahnle auf 20, möglicherweise sogar bis auf 70 Grad Celsius unter den Gefrierpunkt gesunken. Die Ozeane wären zwar zugefroren, doch unterhalb der Eisdecke hätte Leben entstehen können. Die frühesten harten Fakten zur Existenz von Leben stammen aus 3,85 Milliarden Jahre altem Gestein, das in Westgrönland gefunden wurde. Stephen Mojzsis von der Universität von Kalifornien in Los Angeles fand in diesem Gestein die „Signatur des Lebens“, ein bestimmtes Verhältnis der Anteile der beiden Kohlenstoffisotope C-12 und C-13. Vor 3,9 Milliarden Jahren erreichte das Bombardement aus dem All noch einmal einen Höhepunkt – wahrscheinlich, weil der nach innen wandernde Jupiter den Planetoidengürtel kräftig aufmischte und dabei Plantoiden ins innere Sonnensystem schleuderte. Vor 3,8 Milliarden Jahren endete das Höllenzeitalter. Die Meteoriteneinschläge ließen nach. Das erste Leben war entstanden. Und Gott sah, dass es gut war.

AxelmTillmans

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