Seit der ersten Entdeckung haben Astronomen rund 1000 Objekte im Kuiper-Gürtel jenseits des Neptuns gefunden und katalogisiert. Diese Eiswelten sind die Quelle der Kometen mit kurzen Umlaufzeiten. Einige von ihnen sind größer als 1000 Kilometer. Sie haben sich aus der „Verklumpung“ kleinerer Körper gebildet. Doch solche Kollisionen sind nur dann häufig genug, wenn der Kuiper-Gürtel insgesamt mehr als das Zehnfache der Masse unserer Erde hätte – den teleskopischen Durchmusterungen zufolge besitzt er aber höchstens ein Zehntel der Erdmasse.
Um das Rätsel zu lösen, suchen Physiker seit Jahren nach Wegen, wie der Kuiper-Gürtel nach seiner Bildung mehr als 99 Prozent seiner Masse hätte verlieren können. Doch diese Annahme ist gar nicht nötig, wie Harold Levison vom Southwest Research Institute in Boulder, Colorado, und Alessandro Morbidelli vom Observatoire de la Côte d’Azur im französischen Nizza gezeigt haben. Stattdessen gehen sie davon aus, dass sich die Kleinkörper alle innerhalb der heutigen Neptun-Bahn – dem 30fachen Abstand der Erde von der Sonne – aus der protoplanetarischen Scheibe gebildet haben und dass die Region des heutigen Kuiper-Gürtels leer war. Die Objekte wären demnach erst später „ausgewandert“ – als Folge gravitativer Wechselwirkungen mit Neptun. Auch der hat sich in der Frühzeit nach außen bewegt, bis er an die Grenze der protoplanetaren Scheibe stieß, wo er aus himmelsmechanischen Gründen nicht mehr weiterkam und heute noch die Sonne umläuft.
Hans Groth