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Bazillen sanieren Kernkraftwerke

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Bazillen sanieren Kernkraftwerke
Amerikanische und britische Wissenschaftler haben ein verblüffendes Verfahren entwickelt, mit dem stillgelegte Nuklearanlagen von radioaktiven Rückständen befreit werden können.

Bislang gab es nur eine Methode, um stillgelegte Atomkraftwerke sicher zu entsorgen: den Abriß der verseuchten Gebäude und die Lagerung der Trümmer als radioaktiver Abfall. Eine Alternative haben jetzt Wissenschaftler und Ingenieure des Idaho National Engineering and Environmental Laboratory (INEEL) in den USA und des britischen Atomenergiekonzerns BNFL vorgestellt: Sie verwenden Bakterien, um die verseuchten Räume zu reinigen. Die Mikroben der Art Thiobacillus thiooxidans können Schwefel aus der Umwelt aufnehmen und ihn in Schwefelsäure umwandeln, um Energie zu gewinnen. „Diese Bakterien sind weit verbreitet“, sagt Dr. LaMar Johnson, Manager der Biotechnologie-Abteilung am INEEL. Weil die entstandene Schwefelsäure Beton angreift, ist Thiobacillus thiooxidans normalerweise gefürchtet. Doch die amerikanischen Wissenschaftler machen aus der Not eine Tugend und setzen die Mikrobe als Abrißarbeiter ein. Dazu mischen sie die Bakterien mit Schwefel und Cellulose, bis ein gelbes, klebriges Gel entsteht. Dann schmieren sie das noch harmlose Gel auf Decken und Wände, wo es haften bleibt. Damit die Mikroben mit der Arbeit beginnen können, erhöhen die Forscher die Luftfeuchtigkeit im Raum anschließend auf 80 bis 90 Prozent. Wenn die von den Bakterien produzierte Schwefelsäure die oberen radioaktiv verseuchten Betonschichten weggeätzt hat, werden die Mikroben durch verminderte Luftfeuchtigkeit wieder abgetötet. Die losen Betonstücke lassen sich dann einfach absaugen und entsorgen.

Johnson und seine Kollegen haben die Effizienz ihrer bakteriellen Helfer bereits demonstriert. In einem radioaktiv verseuchten Labor am INEEL lösten die Bakterien in einem Jahr eine zehn bis zwölf Millimeter dicke Betonschicht von den Wänden und Decken ab. Nun wollen die amerikanischen und britischen Wissenschaftler und Ingenieure ihre Bakterien zum ersten Mal auf ein stillgelegtes Atomkraftwerk loslassen. Im britischen „Windscale Pile 1“-Reaktor in Sellafield sollen sie Wände und Decken mindestens drei Millimeter weit abtragen – die maximale Tiefe, in die radioaktive Partikel in den Beton eingedrungen sind. „Das ist eine großartige Idee. Schließlich sollen die Thiobazillen nur ihren natürlichen Job am Beton des Gebäudes erledigen“, sagt Dr. Sonja Selanska-Pobell, Leiterin der mikrobiologischen Arbeitsgruppe am Forschungszentrum Rossendorf bei Dresden. Ein Erfolg ihrer amerikanischen Kollegen könnte der deutschen Wissenschaftlerin helfen, die Industrie von den Vorteilen der Bakterien bei der Entsorgung radioaktiv verseuchten Untergrundes zu überzeugen. Denn Selenska-Pobell und ihre Rossendorfer Kollegen halten auf Grund eigener Untersuchungen die Mikrobe Thibacillus ferooxidans – eine ähnliche Bakterie, wie sie die INEEL-Forscher einsetzen – für fähig, radioaktive Rückstände aus ehemaligen Uranbergwerken in Ostdeutschland zu entfernen. Die neue Methode zur Reinigung von Nuklearanlagen hat einige Vorteile: Weil Bakterien die Schmutzarbeit erledigen, sinkt das Strahlungsrisiko für Arbeiter. Außerdem verringert sich die Menge des radioaktiven Abfalls, weil die Bakterien die strahlenden, obersten Betonschichten von den nicht verseuchten tieferen Schichten abtrennen. Allerdings müssen Bauteile aus Glas, Plastik oder Metall noch vollständig entsorgt werden, da die Bakterien diese Materialien nicht auflösen können. Trotzdem ist Johnson überzeugt, daß die Mikroben ein Atomkraftwerk für weniger als ein Zehntel der bisherigen Kosten reinigen können. Der INEEL-Manager nennt vor allem Osteuropa als potentielles Einsatzgebiet der neuen Methode. Denn die Länder ließen bislang aus Geldmangel alte Nuklearanlagen einfach verrotten.

Holger Breithaupt

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