Sie schreiben in Ihrer Biografie, das Unbekannte hätte Sie so fasziniert, dass Sie nie aufhören konnten zu forschen. Selbst im hohen Alter gehen Sie noch täglich ins Labor. Woher kommt diese Lust, Frau Professor Levi-Montalcini?
Mehr als der Reiz des Unbekannten ist es die Bereitschaft, sich Problemen zu stellen und die Augen vor den Schwierigkeiten zu verschließen. Für die wissenschaftliche Forschung kann ich sagen, dass weder die Intelligenz ausschlaggebend dafür ist, ob ein Vorhaben gelingt und man zu persönlicher Befriedigung gelangt, noch die Fähigkeit, an einer Sache dran zu bleiben und sie akribisch zu Ende zu bringen.
Was ist es dann?
Ein beträchtliches Maß an Verbissenheit. Die Verbissenheit, meinen Weg weiterzuverfolgen, den Weg, den ich für richtig halte. Und den Gleichmut bei Schwierigkeiten, denen ich mich auf diesem Weg stellen muss. Das hat mir enorm dabei geholfen, meine Projekte zu realisieren. Auch heute nützen mir diese Verbissenheit und dieser Gleichmut, wenn ich mich schwierigen Momenten in meinem Leben stellen muss.
Sie dachten immer an die Forschung, auch in den Zeiten der Nazi-Verfolgung. War die Wissenschaft eine Art Flucht für Sie?
Nein, ich habe mich nie in die For-schung geflüchtet. Sie gab mir aber Gewissheit, dass am Ende wohl doch das Gute im Menschen siegt, weil ohne die Forschung die anderen Werte nicht existieren können. Wie Dante schreibt: „Bedenkt, wozu dieses Dasein Euch gegeben: Nicht um dem Viehe gleich zu brüten, nein, um Wis-senschaft und Tugend zu erstreben.“ Interview: Sandro Mattioli