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bild der wissenschaft fragte Bernhard

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bild der wissenschaft fragte Bernhard

bild der wissenschaft fragte Bernhard Horsthemke, Professor für Humangenetik am Uniklinikum Essen, warum bei künstlichen Befruchtungen die epigenetische Prägung oft fehlerhaft zu sein scheint.

bdw: Wieso haben Sie den Verdacht, Herr Prof. Horsthemke, dass die Zeugung im Reagenzglas ein erhöhtes Risiko für epigenetische Fehler birgt?

Horsthemke: Ein Berliner Kollege nachte mich 2001 auf eine Patientin aufmerksam, die durch assisierte, also künstliche Befruchtung zur Welt gekommen war. Sie litt aufgrund eines epigenetischen Fehlers am Angelman-Syndrom, einer genetisch bedingten geistigen Behinderung. Kurz danach erfuhr ich von einer zweiten Erkrankung. Da wurde ich aufmerksam. Die Krankheit ist äußerst selten und nur bei drei bis vier Prozent der Patienten epigenetisch bedingt. Als ich bei einer Tagung in den USA darüber berichtete, erzählte prompt ein Zuhörer, dass er Ähnliches beobachtet hätte für das Beckwith-Wiedemann-Syndrom, bei dem viele Organe fehlgebildet sind.

bdw: Gibt es Studien, die diese Beobachtungen bestätigen?

Horsthemke: In den letzten Jahren gab es in Großbritannien, Frankreich, Australien und den USA Untersuchungen, die einen Zusammenhang nahe legen. Michael Ludwig vom Endokrinologikum Hamburg und ich haben bei Patienten mit Angelman-Syndrom, deren Eltern eingeschränkt fruchtbar sind, einen erhöhten Anteil epigenetischer Fehlprägung gefunden, nämlich 25 Prozent. Dabei machte es keinen Unterschied, ob die Kinder nach einer langen Phase unerfüllten Kinderwunschs spontan oder mithilfe assistierter Reproduktion gezeugt worden waren.

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bdw: Reicht das, um Ihre Vermutung zu beweisen?

Horsthemke: Nein, ich würde eher von einem dringend begründeten Verdacht sprechen. Aber es gibt noch weitere Anhaltspunkte. So haben Kinder aus assistierter Befruchtung häufiger ein vermindertes Geburtsgewicht – auch wenn es keine Mehrlingsgeburten waren, bei denen das normal wäre. Epigenetiker sind mittlerweile ziemlich sicher, dass es sich dabei zumindest teilweise um die Folge falscher epigenetischer Prägung handelt. Michael Ludwig und ich planen dazu eine Studie.

bdw: Wo könnte Ihrer Meinung nach die Fehlerquelle liegen?

Horsthemke: Wir sehen da verschiedene Möglichkeiten. Die Fehler könnten bereits im genetischen Material der Eltern verankert sein. Das würde auch ein erhöhtes Risiko bei Paaren erklären, die nicht sofort schwanger werden. Bei der assistierten Befruchtung könnten zudem falsch geprägte Spermien und Eizellen zusammenfinden, die unter natürlichen Bedingungen kaum zum Zuge gekommen wären. Außerdem steht die Hormonbehandlung unter Verdacht. Sie beschleunigt die Reifung der Eizelle, wodurch ihre epigenetische Prägung möglicherweise unvollständig ist. Eine Rolle könnte auch spielen, dass die befruchteten Zellen für zwei bis sechs Tage in der Kulturschale gehegt werden. Und zumindest im Tierexperimente wurde bewiesen, dass die in der Kulturschale herrschenden Bedingungen das epigenetische Muster des frühen Embryos stören können.

bdw: Welche Konsequenzen sollte man aus Ihren Beobachtungen ziehen?

Horsthemke: Weiterforschen. Und ich denke, man sollte die Eltern über das Risiko aufklären. Aber für Panik besteht kein Anlass. Dafür sind die Erkrankungen durch assistierte Befruchtung doch zu selten.

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