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Boten aus der Urzeit des Sonnensystems

Allgemein

Boten aus der Urzeit des Sonnensystems
Bei der Entstehung der Planeten ging es heiß her. In Gesteinsmeteoriten sind Forscher auf die Spuren einer turbulenten Vergangenheit gestoßen. Sie zeigen, wie die festen Planeten einst aus winzigen Materiebröckchen zusammengeschweißt wurden.

Die Invasion aus dem All ist längst Realität: 6500 Tonnen außerirdische Materie prasseln jeden Tag fast unbemerkt auf die Erde nieder. Wie Ablagerungen in den Ozeanbecken beweisen, ist unser Planet diesem Bombardement schon seit vielen Jahrmillionen ausgesetzt. Bei den Geschossen handelt es sich meist um kleine Gesteinsklumpen. Nur 20 Prozent der Meteorite bestehen aus einer Eisen-Nickel-Legierung und ähneln damit dem Erdkern.

Den Ursprung des himmlischen Steinschlags sehen viele Forscher in den Asteroiden, die zu Hunderttausenden in einem 150 Millionen Kilometer breiten Gürtel zwischen Mars und Jupiter ihre Bahnen ziehen. Kollisionen zwischen den bis zu einigen hundert Kilometer großen Brocken produzierten im Laufe der Jahrmilliarden eine Menge Schutt und Trümmer. Geraten die Bruchstücke auf die „schiefe Bahn“ in Richtung Erde, können sie schließlich als Meteoriten bei uns niedergehen. Woher stammt dieser Trümmerring zwischen den Planeten?

Eine der Hypothesen: Aus den Asteroiden wäre vor 4,5 Milliarden Jahren beinahe ein Gesteinsplanet entstanden. Aus Unterschieden in der Zusammensetzung der Meteoriten schließen manche Forscher sogar, daß die Asteroiden einst in 60 verschiedenen Planetenmutterkörpern vereinigt waren – der Vorstufe bei der Geburt eines Planeten. Daß daraus nichts wurde, könnte an der übermächtigen Schwerkraft von Jupiter gelegen haben: In der Nachbarschaft des Gas-Riesen wäre jeder Protoplanet enormen inneren Reibungskräften ausgesetzt gewesen. Schon sehr früh hätte er der Zerreißprobe nicht standhalten können und wäre auseinandergebrochen. Seine Trümmer zerstreuten sich entlang der ursprünglichen Umlaufbahn und füllen heute die Lücke zwischen den Planeten Mars und Jupiter.

Die beiden unterschiedlichen Meteoritenfamilien – Stein- und Eisenmeteoriten – deuten darauf hin, daß der Protoplanet wohl nur bis zu einer frühen Entwicklungsstufe kam, da er sich in einen schweren Eisen-Nickelhaltigen Kern und in einen leichten Gesteinsmantel mit einer dünnen Kruste schied.

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Trotz dieses Intermezzos haben sich in bestimmten Gesteinsmeteoriten die Spuren einer noch früheren Zeit erhalten. Sie reicht zu den ersten Anfängen des Sonnensystems zurück, als die Ursonne noch von einer Scheibe aus Gas und Staub umgeben war und sich gerade die Planeten zu bilden begannen. Wie konnten aus den sandkorngroßen Mineralien viele tausend Kilometer große Planetenkörper entstehen?

Die Antwort suchen Wissenschaftler in urtümlichen Gesteinsmeteoriten, die aus der kondensierten Materie der protoplanetaren Scheibe bestehen. Ihr hohes Alter ist durch Isotopen-Datierungen belegt: 4,556 Milliarden Jahre. Damit übertreffen Chondriten, wie diese Meteoriten heißen, die ältesten irdischen Gesteine. Sie setzen sich aus millimetergroßen Schmelztröpfchen, den Chondren, zusammen, die rasch miteinander verbacken sind. Dazu sind jedoch hohe Temperaturen zwischen 1200 und 1500 Grad Celsius nötig. Untersuchungen etwa des in Mexiko gefallenen Allende-Meteoriten weisen darauf hin, daß die Chondren sogar mehrfach für stets wenige Stunden derart hohen Temperaturen ausgesetzt waren.

Doch genau da ist der Haken: Wenn die Modelle der Astronomen stimmen, dann dürfte die Temperatur der protoplanetaren Scheibe in der Region des Asteroidengürtels allenfalls bei 30 Grad Celsius gelegen haben. Das aber steht in offenkundigem Widerspruch zu den Meteoritenbefunden.

Andererseits gibt es auch Hinweise, daß die protoplanetare Scheibe im Bereich des heutigen Asteroidengürtels nicht immer so hohen Temperaturen ausgesetzt war: winzige runde Silikatkügelchen in einigen Chondriten, die für ein sehr rasches, nur unvollständiges Aufschmelzen sprechen. Zudem können Eisensulfide, wie sie in manchen Einschlüssen vorkommen, nur in einer kühleren Umwelt entstehen. Planetologen der Universität Münster haben kürzlich herausgefunden, daß Chondren in Meteoriten von hauchdünnen Staubschalen eingehüllt sind, wobei sich die einzelnen Schalen deutlich in ihrer chemischen Zusammensetzung unterscheiden, vor allem, was das Verhältnis von Eisen zu Magnesium betrifft.

Offenbar waren die wie Hagelkörner heranwachsenden Steinchen in relativ kurzer Zeit sehr unterschiedlichen Einflüssen in der protoplanetaren Materiescheibe ausgesetzt. Doch welcher Prozeß konnte in dem Gas- und Staubstrudel, der sich vor 4,6 Milliarden Jahren um die Protosonne drehte, derart rasche Veränderungen der Zusammensetzung und Temperatur bewirken?

Wie der amerikanische Astronom Eugene H. Levy von der Tucson University in Arizona glaubt, ist dafür das gigantische Mahlwerk des Materiestrudels verantwortlich. Denkbar wäre, so der Forscher, daß sich die aneinander vorbeifliegenden und zusammenprallenden Staubteilchen in der Scheibe elektrisch aufluden. Irgendwann habe sich die Energie schlagartig entladen: Ein gewaltiger Blitz durchfuhr die Region und erhitzte die Chondren und die daran haftenden Staubteilchen auf weit über 1000 Grad. Danach kühlte das miteinander verbackene Material rasch wieder bis auf Umgebungstemperatur ab.

Ob sich diese Prozesse tatsächlich so im frühen Sonnensystem abgespielt haben, ist Spekulation. In einem anderen Sonnensystem jedoch konnte eine internationale Forschergruppe unter Leitung der Universität Grenoble ähnlich turbulente Vorgänge aufdecken. Die Wissenschaftler hatten den zwar nicht mehr taufrischen, aber noch jugendlichen Stern Beta Pictoris im südlichen Sternbild Malerstaffelei ins Visier genommen. Um den nur 55 Lichtjahre entfernten Stern war vor einigen Jahren eine ausgedehnte Staubscheibe entdeckt worden. Ob sie bereits Planeten hervorgebracht hat, ist allerdings fraglich.

Die Forscher hatten vom Boden aus sowie mit Hilfe des Hubble-Teleskops und des IUE-Satelliten im Spektrum des Sterns systematisch nach Veränderungen gesucht, die einen Einfluß auf die Staubscheibe haben. Zu ihrem Erstaunen wurden sie auf Anhieb fündig: Innerhalb weniger Stunden kam es vor allem bei den Elementen Aluminium, Eisen, Kalzium, Mangan und Magnesium zu drastischen Änderungen. Sie zeigen nach Ansicht der Wissenschaftler, daß heiße Winde und heftige Gasströme vom Stern in die Materiescheibe geblasen werden. Ähnliche Vorgänge haben vielleicht auch in der Frühzeit des Sonnensystems die Entstehung der Chondriten und damit der Planeten in der protoplanetaren Scheibe beeinflußt.

Die Gesteinsmeteoriten bergen jedoch noch weitere geheimnisvolle Spuren, die gar auf ein Vorleben der Materie in einem anderen Stern hinweisen, lange bevor es das Sonnensystem gab. In einigen Chondriten stieß ein amerikanisches Forscherteam um Larry Nittler von der Washington University auf sechs Milliarden Jahre alte Kristallkörnchen aus Graphit und Aluminiumoxid. Die außergewöhnliche chemische Komposition verrät, daß die Staupartikel einst in den Rußfahnen altersschwacher Riesensterne entstanden sind.

Nachdem diese Sterngeneration explodiert war, dienten die ins All verstreuten Staubkörner als Kristallisationskeime für die Planeten eines neuen Sterns: der Sonne.

Silvia von der Weiden

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