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Chips für Deutschland

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Chips für Deutschland
Deutschland wird als Standort für die Chipindustrie immer interessanter. Zusätzliche Arbeitsplätze dürften dadurch aber nicht entstehen.

Die deutsche Halbleiterindustrie boomt, und die Nachfrage nach immer schnelleren und billigeren Mikrochips ist ungebrochen. Das spiegelt sich in den Marktzahlen des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) für das Jahr 1997 wider. Dietmar Harting, neuer Vorsitzender des Fachverbandes Bauelemente der Elektronik im ZVEI, spricht von einer Trendwende am Inlandsmarkt: „Wir erwarten ein Wiederanspringen der Halbleiterkonjunktur in den wichtigsten Branchenmärkten.“

Mehr Jobs bringt das noch lange nicht. Obwohl die Auftragsbücher der heimischen Siliziumschmieden gut gefüllt sind, investiert die Branche nur zaghaft in jene Human Ressources, die erst in Gang setzen, was am Markt als Produkt feilgeboten wird. Moderne Chipfabriken sind staubfreie Tabuzonen, in denen immer weniger Menschen tätig sind. In modular unterteilten Reinräumen bugsieren vollautomatische Beförderungseinrichtungen die empfindlichen Siliziumscheiben in gekapselten Transportbehältern von einer Bearbeitungsstation zur nächsten. Die Personalkosten betragen so nur einen Bruchteil der Aufwendungen für das hochautomatisierte Fertigungsequipment.

Dennoch sehen Fachleute positive Anzeichen für mehr Beschäftigung. Das liegt einmal an den steigenden Absatzzahlen für elektronische Bauelemente, die neue Impulse für das Zuliefernetz der Chipfabriken bieten. Aufgrund des internationalen Wettbewerbsdrucks gewinnen Forschungs- und Dienstleistungsbereiche an Gewicht. „Um Produkte wettbewerbsfähig zu gestalten“, sagt Armin Wieder, Direktor der Abteilung Mikroelektronik bei Siemens, „ist ein hohes Maß an interdisziplinärem Wissen vonnöten.“

Ingenieure, die das haben, gibt es nicht zum Nulltarif, weder hierzulande noch in Billiglohnländern. Das merkt auch die Chipindustrie und lernt heimische Standortvorteile wieder zu schätzen. Die Großfabrik von Siemens in Dresden ist ein Beispiel: Fast 2000 Mitarbeiter wurden inzwischen rekrutiert, viele von ihnen sind im hauseigenen Forschungs- und Entwicklungszentrum untergekommen.

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Auch die frühere Daimler-Benz-Tochter Temic investierte 60 Millionen Mark und ging kürzlich mit einer neuen Chipfertigung in Itzehoe an den Start. 430 Spezialisten produzieren hier sogenannte Power-Chips für Maschinensteuerungen, die vorher im kalifornischen Santa Clara hergestellt wurden. Der Umzug aus dem sonnigen Kalifornien ins regnerische Norddeutschland kommt nicht von ungefähr: Der Automobilkonzern hat jede Menge Aufträge für seine Siliziumschmiede in der Schublade. Das liegt daran, daß der Chipanteil in Autos ständig steigt. Mikroelektronische Schaltungen sind die Grundlage für Stabilisierungssysteme, aber auch für neue Motorkonzepte und Verkehrsleitsysteme. Luft- und Raumfahrt gehören seit jeher zu den Abnehmern für leistungsfähige Bauelemente.

Die Hoffnungen richten sich auch auf Produktbereiche, in denen deutsche Unternehmen schon länger Spitze sind: zum Beispiel die Fertigung von Chips für schnurlose Telefone, Geldkarten oder Sensoren und Aktoren. „Der hohe Forschungs- und Entwicklungsanteil spornt die Produktionsplaner zu innovativen Designs ihrer Bauelemente an“, sagt Stefan Blohme, Geschäftsführer der in Hannover ansässigen Sican GmbH, die ihr Geld mit Chipdesign und Beratung verdient.

Trotz Ausbildungsmisere, überfüllter Hörsäle und zu langer Studienzeiten bauen die Hochburgen der Chipindustrie auf das Bildungsniveau heimischer Hochschulabgänger. Wenn es stimmt, was die Auguren für die kommenden Jahre voraussagen, rollt eine Welle neuer hochintegrierter Designerchips – sogenannte Systems-on-the-Chip-Lösungen – auf potentielle Abnehmer zu. Ohne ingenieurwissenschaftliche Unterstützung lassen sich solche anspruchsvollen Siliziumbausteine gar nicht herstellen. Verstärkt sich der Trend, dann wird auch der Ruf nach Spitzenforschern lauter. Wenig spezifizierte Massenprodukte aus Billiglohnländern decken den Bedarf nach qualifizierten Bauelementen mit komplexen Schaltungsstrukturen nicht ab.

Das sehen auch Forscher am Münchner Fraunhofer-Institut für Festkörpertechnologie (IFT). Dort werden Schaltungsentwürfe und Prototypen getestet, die auch in kleinen Stückzahlen preiswert hergestellt werden können. Vor allem die Integration digitaler und analoger Funktionen auf einem Chip setzt Know-how beim Schaltungsaufbau voraus, das nicht überall vorhanden ist.

Während es in den USA an jeder Hochschule Lehrangebote für den Berufseinstieg gibt, müssen Technische Fakultäten hierzulande eigens Berufsberater aus den Arbeitsämtern einladen, um Studenten den Blick für Arbeitsplatzchancen zu schärfen. Dabei verkürzt sich die Zerfallszeit für technisches Know-how in beängstigendem Tempo.

Amerikanische Halbleiterhersteller haben das längst erkannt und investieren statt zu grübeln. IBM errichtet für 700 Millionen Dollar in East Fishkill, New York, das weltweit modernste Chip-Entwicklungszentrum. Das bahnbrechende Kupferfertigungs- und Röntgen-Lithographie-Verfahren von IBM, das hier zur Anwendungsreife gebracht wird, könnte in der Chipfertigung neue Maßstäbe setzen. Eine ähnliche Initiative ist hierzulande nicht in Sicht.

Andreas Beuthner

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