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Cowboys im Weltall

Allgemein

Cowboys im Weltall
Nutzvieh unter Satelliten-Kontrolle: Vorposten gegen Rinderwahn

„Wir brauchen ein Vorsorge- und Alarmsystem, das die Nahrungsmittelkette vom Stall über das Schlachthaus bis auf den Teller erfaßt“, mahnte EU-Kommissionspräsident Romano Prodi Anfang des Jahres und forderte die Einrichtung einer unabhängigen europäischen Lebensmittelagentur. Doch ob, wann und wo in der Europäischen Union (EU) eine derartige Behörde nach dem Modell der amerikanischen Food and Drug Administration Wirklichkeit wird, steht in den Sternen.

Unterdessen ist im Kampf gegen Korruption und Lebensmittelskandale himmlische Hilfe in Sicht. Europäische Wissenschaftler von der Gemeinsamen Forschungsstelle im italienischen Ispra entwickeln seit 1998 „IDEA“, ein elektronisches Identifikationssystem für Nutztiere. Ziel ist, alle 300 Millionen Schafe, Ziegen und Rinder Europas via Satellit zu überwachen. Der Cowboy der Zukunft agiert aus dem Weltall. Im einem Pilotversuch klipsen die Forscher seit 1998 rund einer Million Tiere aus sechs EU-Staaten elektronische Marken ans Ohr, injizieren Marker-Substanzen oder setzen Boli – Speicherkapseln mit wichtigen Daten des Tieres – in Schafs- und Kälbermägen ein. Diese „Personalausweise“ begleiten die Tiere von der Geburt bis zum Schlachthaus. Die elektronisch lesbaren Daten sind per Computer erfaßbar. Das Ispra-Institut für Systeme, Informatik und Sicherheit (ISIS) hat gemeinsam mit der Brüsseler Generaldirektion Landwirtschaft das IDEA-Projekt auf den Weg gebracht. In Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Portugal und Spanien beteiligen sich 5300 Landwirte und 63 Schlachthäuser. 150 Wissenschaftler und Projekt-Manager testen bis Ende 2001 das elektronische Equipment und die Datenübertragungswege. Die EU-Kommission unterstützt das Vorhaben mit 17 Millionen Euro (rund 32 Millionen Mark). Viel Vertrauen ist in den letzten Jahren bei den Verbrauchern durch Dioxin- und andere Lebensmittelskandale verlorengegangen. Die lückenlose elektronische Verfolgung des Lebenswegs von Nutztieren könnte ein entscheidender Schritt sein, es zurückzugewinnen.

EURO-TALK

Marc Cuypers, Direktor am EU-Forschungsinstitut für Systeme, Informatik und Sicherheit (ISIS), zum Projekt IDEA.

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bdw: Sie proben die lückenlose Kontrolle von Rindern, Schafen und Ziegen – warum?

Cuypers: Beim Menschen ist überprüfbare Identität normalerweise durch ein Foto gegeben. Beim Tier ist die Frage „ Who is who“ nur durch ein Numerierungssystem zu beantworten. Wir testen elektronische Identifikationsnummern, die Auskunft über Geburt, Herkunftsland und züchterische Abstammung geben, im vierjährigen Pilotprojekt IDEA.

bdw: Bringt IDEA etwas im Kampf gegen den Rinderwahn?

Cuypers: Durch IDEA könnte man die Abstammung von BSE-kranken Tieren lückenlos zurückverfolgen und die Elterntiere ausfindig machen. Für die Eindämmung von BSE wäre das ein entscheidender Vorteil.

bdw: Würde der Verbraucher sich beim Kauf von Fleisch wirklich darauf verlassen können?

Cuypers: Ja. Die ganze Lebensgeschichte des Tieres, von dem das Fleisch stammt, kann sicher zurückverfolgt werden – vom Supermarkt bis zur Geburt. Dies würde eine Sicherheit für den Verbraucher bedeuten, wie sie bisher nicht existiert.

bdw: Und die Realisierungschancen?

Cuypers: Das ist Sache der EU-Landwirtschaftsminister.

EURO-TICKER

Cleane Korken. Jährlich verunreinigen 500 Millionen Korken – etwa vier Prozent der Flaschenkorken in der EU – den Inhalt von Wein- und Sektflaschen. EU-Forscher entwickelten ein Mikrowellen-Verfahren: Durch Hitze werden Mikroorganismen im Kork und chemische Verunreinigungen zerstört (bild der wissenschaft 10/1999, „Gekochte Partisanen“). Jetzt testen französische, deutsche, australische und amerikanische Weinerzeuger die sauberen Korken.

Dubiose Dosen. Europäische Wissenschaftler nehmen derzeit den Lack in Konservendosen, der mit Makrele, Lachs oder Hering in Kontakt kommt, unter die Lupe. In einer EU-Studie zur Überwachung der Konzentration von BADGE – einer im Lack vorkommenden Verbindung – erforscht das Labor des Instituts für Gesundheit und Verbraucherschutz (IHCP) in Ispra die Auswirkungen auf den Konserveninhalt. Info im Internet: http://cpf.jrc.it/webpack/

Thomas A. Friedrich

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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