Das glaube ich nicht
Sie sind jung, extrem ehrgeizig, sitzen viele Monate lang Tag und Nacht vor dem Computer oder im Labor, und schlagen zur Abwechslung schon mal einen Laborstuhl in Stücke: Jungforscher bei Vertex, einer kleinen Biotechnologie-Firma.
Der amerikanische Wissenschaftsautor Barry Werth hat sie fast vier Jahre lang unter die Lupe genommen. Herausgekommen ist ein fesselnder Tatsachenbericht: Gerangel um Publikationen, gezieltes Streuen von Fehlinformationen und bei all dem stets die Furcht im Nacken, ob es gelingt, früher als die Konkurrenz Ergebnisse zu präsentieren.
Die Wissenschaftler wollen die Wirkungsweise von sogenannten Immunsuppressiva verbessern – Stoffen, die die Aktion des Immunsystems unterdrükken, was zum Beispiel nach Organtransplantationen wichtig ist. Joshua Boger, Gründer der Firma, sieht seinen Trumpf im rationalen Medikamentendesign. Nicht mehr durch systematisches Testen Tausender von Verbindungen, sondern durch planvolles Stylen von Molekülen mit moderner Computertechnik will er die vermeintlich träge Konkurrenz übertrumpfen. Zwar scheitert das Projekt: Die Konkurrenz ist schneller. Doch Vertex hat am Ende anderswo die Nase vorn: Forschungen zum Aids-Virus führen zu einem erfolgversprechenden Präparat gegen die HIV-Protease.
Werths Buch zeigt, daß die Entwicklung von Medikamenten nichts mit Altruismus zu tun hat. Wie es von den Protagonisten heißt: „Sie taten es, um Konkurrenten zu demütigen, um sich selbst für Götter zu halten, um zu gewinnen und um die entsetzliche, tödliche Angst vor dem Verlieren loszuwerden. Wissenschaftliche Arbeit bis zum Umfallen, unverhüllte Habgier und blanke Angst, nicht moralische Fehlerlosigkeit, würden Aids besiegen.
Barry Werth DAS MILLIARDEN-DOLLAR-MOLEKÜL VCH-Verlag Weinheim 1996 403 S., DM 48,-
Bernhard Epping
