Menschen reden gerne – am liebsten über andere. Zwei Drittel unserer Unterhaltungen, haben Sprachwissenschaftler festgestellt, drehen sich um zwischenmenschliche Belange: Lediglich ein Drittel der Gespräche ist von intellektuellem Gewicht und hat kulturelle, politische, philosophische oder naturwissenschaftliche Themen zum Inhalt. Die Vorliebe der Menschen für alles Menschliche zeigt sich auch in dem, was sie am liebsten lesen: Von den unzähligen Büchern, die alljährlich auf den Markt kommen, sind es die offen gelegten Intimitäten möglichst prominenter Buchhelden, die das meiste Geld in die Kassen der Buchhändler bringen.
Aus diesen Auffälligkeiten menschlicher Kommunikation zieht Robin Dunbar, Anthropologe am University College in London, den Schluß, daß unsere vielgerühmte und exklusive Sprachfähigkeit nur einem Zweck dient: Informationen über Zwischenmenschliches auszutauschen. Mit anderen Worten: zu tratschen. Den vielen unterschiedlichen Theorien über den Ursprung der Sprache – beispielsweise, daß sie entstanden sei, weil sich männliche Menschen bei der Jagd hätten verständigen müssen – stellt Dunbar die Überlegung gegenüber, daß die Sprache des Menschen von den Frauen am Lagerfeuer entwickelt worden sei. Schließlich hätten sie den Kern jeder frühmenschlichen Gruppe gebildet.
Noch heute, behauptet Dunbar, würden vor allem Frauen über andere reden, um so das soziale Netz zu weben und intakt zu halten. Männer hingegen seien überwiegend damit beschäftigt, über sich selbst zu reden und andere auf sich aufmerksam zu machen.
Der Mangel an zwischenmenschlichen Kontakten und an Gemeinschaftsgefühl könnte sich als das drängendste Sozialproblem des neuen Jahrtausends erweisen. Wie es zu lösen ist? Durch Klatsch und Tratsch natürlich.
Robin Dunbar KLATSCH UND TRATSCH Wie der Mensch zur Sprache fand C. Bertelsmann München 1998 287 S., DM 36,90
Claudia Eberhard-Metzger / Robin Dunbar