„60 Prozent meiner gutachterlichen Arbeitszeit bringe ich damit zu, wissenschaftlich gute Dissertationen auch sprachlich auf Niveau zu bringen”, urteilt Prof. Hans-Wolfgang Arndt im bdw-Interview auf den Seiten 76/77. Der Rektor der Universität Mannheim, ein Jurist, hat der verqueren Sprache in den Wissenschaften den Kampf angesagt – und einen Preis für sprachlich hervorragende Forschungsarbeiten ausgelobt. Eine Ursache für die Geringschätzung verständlicher Sätze ist für ihn, dass viele deutsche Wissenschaftler kein Interesse haben, mit ihrer Arbeit etwas in der Gesellschaft zu bewirken. In Großbritannien oder den USA sei dies anders.
Ein Professor brandmarkt damit etwas, was Professoren hierzulande leider lieben: Sie verschlüsseln ihre Erkenntnisse gekonnt und mitunter reichlich hochmütig in eine Fachsprache. Außenstehende vermögen dadurch nicht zu beurteilen, wie gehaltvoll die Äußerungen wirklich sind. Auch dies ist ein Defizit des Standorts Deutschland. Dass die Wissenschaftler neuerdings mehr und mehr ins Englische verfallen, „weil das nun mal die Sprache der Scientific Community ist”, macht das Problem nur noch schlimmer. Erfreulicherweise gibt es auch eine Entwicklung in die andere Richtung. Die im Jahr 2000 initiierte Popularisierung der Wissenschaft – angestoßen durch eine Allianz großer Forschungsinstitutionen – führt so manchem die Umgangssprache ins Gedächtnis. „Die Wissenschaftler merken, dass es Spaß machen kann, sich auf dem Marktplatz zu präsentieren”, sagt Prof. Joachim Treusch, Chef des Forschungszentrums Jülich. „ Selbst jene, die zu Beginn skeptisch waren, zeigen sich enthusiastisch.” Auch Prof. Heinz Haber, Gründungsherausgeber dieser Zeitschrift – am 15. Mai wäre er 90 geworden – bekam die öffentliche Vermittlung der Wissenschaft nicht in die Wiege gelegt. Erst als Mittvierziger, durch seine „Lehrzeit” bei Walt Disney (1955 bis 1958), entwickelte er seine geniale, punktgenaue Ausdrucksweise. Habers späte Reifeprüfung sollte die Damen und Herren Wissenschaftler anspornen.
Wolfgang Hess