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„Der beste Platz der Welt“

Allgemein

„Der beste Platz der Welt”
Warum Horst Störmer die Bell Labs liebt. Seit 22 Jahren arbeitet der Physik-Nobelpreisträger von 1998 an den Bell Labs, seit zwei Jahren lehrt er auch an der Columbia-Universität in New York. Im bdw-Interview erzählt er, was die Bell Labs so einzigartig macht und was ihn an der deutschen Forschung stört.

bild der wissenschaft: : Herr Störmer – was verbinden Sie mit dem Begriff Bürokratie?

Störmer: Bürokratie ist die Herrschaft des Büros über das Gehirn.

bdw: : Ist die Bürokratie an deutschen Universitäten und Forschungsinstituten wirklich so schlimm, wie Sie es mehrfach in der Öffentlichkeit kritisiert haben?

Störmer: Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ende der Achtziger hatte ich mit einer deutschen Uni über einen Wechsel verhandelt. Erst dauerte es ewig, weil nicht klar war, wie viele Dienstjahre mir aufgrund meiner Auslandstätigkeit für die Gehaltseinstufung angerechnet werden, dann gab es Schwierigkeiten mit der Krankenversicherung. Ein Brief brauchte einmal sechs Wochen, um zwischen Kultusministerium und Finanzministerium hin und her zu gehen, obwohl die Gebäude nur einen Steinwurf weit auseinanderliegen. Als ich vor 22 Jahren zu den Bell Labs kam, wollte niemand meine Promotionsurkunde sehen. Für meine Bewerbung in Deutschland wurde sie extra in Stuttgart angefordert, weil ich sie leider verloren hatte. Nach anderthalb Jahren habe ich dann entnervt aufgegeben, obwohl meine Frau und ich quasi auf gepackten Koffern saßen. Ich bin heute noch ab und zu als Gutachter und Berater in Deutschland tätig. Da stehen mir manchmal die Haare zu Berge.

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bdw: : USA hui, Deutschland pfui – kann man das so verallgemeinern?

Störmer: Nein. In Deutschland ist die Bahn pünktlicher, und jeder Autofahrer hat eine Kfz-Versicherung. Aber im Ernst: Die Ausbildung an deutschen Unis ist gut, die besten Studenten brauchen sich nicht vor den besten amerikanischen Studenten zu verstecken. Doch wenn junge Leute Spitzenforschung betreiben wollen, gehen sie häufig in die USA.

bdw: : Warum?

Störmer: Weil sie hier freier arbeiten können. Wenn einer eine gute Idee hat, kann er die sofort verwirklichen. Aber das hat weniger mit den Universitäten zu tun, sondern eher mit der Gesellschaft. Viele junge Forscher kommen zu mir, um mir zu beweisen, daß sie besser sind als ich. Das gefällt mir. Neulich sah ein deutscher Professor ein Bild von mir aus Studentenzeiten. Damals hatte ich eine schulterlange Mähne. Er sagte: „Mit den Haaren hätten Sie bei mir nicht promoviert.”

bdw: : Welche Rolle spielt das Geld?

Störmer: Entscheidend ist nicht, wieviel Geld man hat, sondern was man damit macht. Amerikanische Universitäten haben nicht mehr Geld als deutsche. Aber in Deutschland kommt es vor, daß in riesigen, gut ausgestatteten Labors ein Student sitzt, weil das dort so Tradition ist. Ich bin froh, daß wir bei den Bell Labs so wenig Platz haben.

bdw: : Wie bitte?

Störmer: Doch – unsere Labors sind relativ klein, jeder deutsche Uni-Professor hat mehr. Meine Erfahrung ist, daß der Austausch mit Kollegen nur auf engem Raum stattfindet. 10 Meter sind gut, 25 Meter schon fast zuviel – Kollegen die 50 Meter weg sind, sieht man nie.

bdw: : Aber finanziell geht es Ihnen bei den Bell Labs gut?

Störmer: Sicher werden wir von Lucent optimal unterstützt. Aber auch hier ist es nicht die Menge des Geldes, sondern wie man es handhabt. Wenn ich ein Gerät für 10000 Mark brauche, kaufe ich es einfach. Wenn ich eine halbe Million brauche, schreibe ich meinem Chef auf einer Seite, warum ich das Geld brauche. Normalerweise erhalte ich noch am selben Tag Bescheid. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit klein ist, daß ich das Geld bekomme, habe ich nicht Monate für das Ausfüllen von Formularen verschwendet. Zugegeben: Die Kollegen an den amerikanischen Universitäten haben es da nicht so leicht.

bdw: : Was macht die Bell Labs noch so

besonders? Störmer: Dieses Industrielabor ist wirklich einzigartig. Hier finden sie die besten Leute aus allen Ländern der Welt – die Zusammenarbeit ist einfach toll. Viele trifft man später an Unis und in der Industrie wieder. Die Bell Labs haben gerade in der Festkörperphysik einen großen Einfluß auf die USA. Wenn irgend etwas in diesem Forschungsgebiet passiert, können Sie Gift drauf nehmen, daß bei den Bell Labs dazu geforscht wird.

bdw: : Dann hätte es wohl keinen Sinn, Sie nach Deutschland holen zu wollen, zum Beispiel an ein eigenes Max-Planck-Institut?

Störmer: Man soll nie „nie” sagen. Aber wenn ich es mir so überlege – immer wenn ich einen Wechsel von den Bell Labs zu einem anderen Institut abgelehnt habe, war ich hinterher unheimlich froh.

Bernd Müller / Horst Störmer

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