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Der programmierbare Biochip

Allgemein

Der programmierbare Biochip
Ein Mannheimer Unternehmen will mit einer neuen Geräte-Generation die Analyse der Erbsubstanz DNA drastisch beschleunigen.

Stand Nummer 147 war Ende Juni auf der „Bio 2001″, der weltgrößten Biotechnologie-Messe im kalifornischen San Diego, einer der Publikumsmagneten des deutschen Pavillons. Dort ließen sich mal beeindruckte, mal skeptische Besucher den Prototypen eines Geräts namens „Geniom one” erläutern – besonders ein etwa briefmarkengroßes Bauteil daraus: den ersten programmierbaren DNA-Chip.

Die Macher von der febit AG in Mannheim ziehen es vor, vom „ ersten DNA-Prozessor” zu sprechen. Peer Friedrich Stähler, wissenschaftlicher Leiter des 1998 gegründeten Unternehmens, erklärt: „In der Elektronik war es ein gro-ßer Schritt vom Transistor zum integrierten Mikroprozessor. Er hat die Ära der modernen Informationstechnik eingeleitet. Gegenüber den heute angebotenen Biochips ist ,Geniom one‘ für die Erbsubstanzanalyse ein ähnlicher Fortschritt.”

280 Millionen US-Dollar setzte eine Handvoll junger Biotechnologiefirmen im Jahr 2000 mit DNA-Chips um. Bei zweistelligen Wachstumsraten soll 2005 die Drei-Milliarden-Dollar-Grenze über-schritten werden: eine Zukunftsbranche. 1993 hatte das Unternehmen Affymetrix den ersten kommerziellen Winzling auf den Markt gebracht.

Das Bauprinzip: Auf einem Glas- oder Siliziumplättchen sind in einem regel-mäßigen Muster viele tausend einsträngige Erbsubstanz-Abschnitte fixiert. Will man etwa wissen, ob ein Mensch eine bestimmte Gen-Sequenz als Krankheitsanlage in seinem Erbgut trägt, leitet man eine Probe aus „kleingehackter”, ebenfalls einsträngig gemachter Patienten-DNA über die Chipoberfläche. Falls die gesuchte Erbsubstanz in der Probe enthalten ist, bleibt ein Fragment davon an seinem fixierten Gegenstück auf dem Chip kleben. Das Aufleuchten eines Fluoreszenz-Markers signalisiert: Treffer.

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An medizinischen Forschungsinstitu-ten versuchen Wissenschaftler, mit Hilfe von DNA-Chips beispielsweise die Zusammenhänge zwischen Erbanlagen und dem Ausbruch von Krankheiten aufzudecken. Die Pharmaindustrie sucht in Patientengenomen nach charakteristi-schen Mutationen (Single Nucleotide Polymorphisms, SNP), die Hinweise liefern, warum Medikamente individuell unter-schiedlich wirken. In der Lebensmittelindustrie fahnden Qualitätskontrolleure mit DNA-Chips nach Salmonellen und anderen schädlichen Keimen in Milch- und Eiprodukten.

Indes: Das Arbeiten mit den Power-Plättchen hat seine Schattenseiten, die den Anwendern die Freude an dieser innovativen DNA-Analytik vergällen. Das geht beim Preis los. Ein DNA-Chip der US-Firma Incyte mit 6000 Gen-Fragmenten kostet rund 4000 US-Dollar. Affymetrix bietet Chips für 1000 bis 2000 US-Dollar an, die jedoch – nach dem Urteil von Insidern – nicht die analytische Qualität des Incyte-Chips aufweisen. Allen derzeit erhältlichen DNA-Chips ist gemeinsam: Der Experimentator kann nur eine einzige Probe testen – danach muß er das Tausende von Mark teure Bio-Bauteil wegwerfen.

Die Fertigung der DNA-Spürhunde ist kompliziert. Wie bei der Produktion von Elektronik-Chips ist eine Photolithographie-Anlage erforderlich, um aus Silizium oder einem anderen Material die Trägerfläche aufzubauen. Dann tritt ein „Spotter” in Aktion: ein Präzisionsroboter, dessen schwenkbarer Arm ein Erbsubstanz-Fragment nach dem anderen mikrometergenau auf den Chip setzt.

Und der Aufmarsch der Geräte geht weiter – auf dem Labortisch des Kunden. Der braucht unter anderem eine „Hybridisierungskammer” , in der die aus Blut, Speichel, Milch oder anderweitig ge-wonnene Erbsubstanz-Probe über die Chipoberfläche geleitet wird. Dabei binden sich gegebenenfalls einige DNA-Schnipsel an ihren Widerpart auf dem Chip. Notwendig ist danach ein „Scanner”: Er registriert, an welchen Positionen der Oberfläche Fluoreszenzlicht aufleuchtet. Daraus leitet die Bildanalyse-Software ab, welche DNA-Stücke am Chip hängengeblieben sind.

Will oder kann man nicht auf vorgefer-tigte, kommerzielle Biochips zurückgrei-fen, die der Hersteller im Sortiment hat, muß man etwa bei Affymetrix rund eine Million US-Dollar auf den Tisch legen und sich seinen Wunsch-Chip anfertigen lassen. Oder man macht ihn selbst – auch nicht ganz billig: „Ein Labor, das DNA-Chips anfertigen will, muß derzeit mindestens 400000 Mark für diverse Geräte investieren”, sagt Stähler. Die Ausbildung des Bedien-Teams kommt hinzu.

Fast genauso schmerzlich ist die Investition an Zeit: Für die Chip-Herstellung plus Experiment muß eine Labormannschaft etliche Wochen ansetzen, manchmal Monate. „Wir verkürzen künftig den gesamten Prozeß der DNA-Analyse auf einen Tag”, verspricht der febit-Chefwissenschaftler. Das Konzept: Der Kunde erwirbt anstelle von bislang vier Geräten ein einziges „Geniom one” -Gerät, das sämtliche Funktionen der Chip-Herstellung, des Versuchsablaufs und der Auswertung beherbergt – automatisch gesteuert. Spätestens 2002 will febit damit am Markt sein. Der DNA-Prozessor soll nicht mehr kosten als das, was ein Labor derzeit für eine DNA-Chip-Ausrüstung anlegen muß – aber dafür soll er eklatante Zeit- und Qualitätsvorteile bieten.

Herzstück des Geräts ist ein leerer Biochip, alias DNA-Prozessor. Er weist rund 40000 unbesetzte Stellplätze für DNA-Stücke auf. Der Anwender ist nicht mehr darauf angewiesen, was die Hersteller an Biochips in ihrem Programm haben. Statt dessen „bespielt” er den leeren Prozessor selbst, je nach seiner forscherischen Fragestellung, mit den für ihn relevanten Erbsubstanz-Fragmenten, was etwa sechs Stunden in Anspruch nimmt. Es folgt die Zugabe der Erbsubstanz-Probe, die analysiert werden soll. „Am Ende desselben Tages hat der Forscher sein Ergebnis. Auf der Grundlage dieses Erkenntnisfortschritts kann er schon für den nächsten Tag ein neues Experiment planen”, sagt Stähler – DNA-Analytik im Tages- statt im Monatstakt.

Biochemie, Mikroelektronik und Mikrosystemtechnik haben bei „ Geniom one” Pate gestanden. Der lichtdurchlässige Prozessor ist von mäanderartigen, rund einen zehntel Millimeter breiten Mikrokanälen durchzogen. Alle 17 Mikrometer ist am Kanalboden ein Stellplatz für ein Erbsubstanz-Stückchen vorgesehen. Während des „ Bespielens” werden nacheinander Lösungen der DNA-Bausteine – vier Sorten von Nukleobasen, aus denen das genetische Alphabet besteht – durch die Kanäle gepreßt.

Dort nehmen Trägermoleküle DNA-Bausteine aus der Lösung an die Leine. An welchen Stellen das geschieht, bestimmt ein Bauteil mit einer Million winziger Mikrospiegel. Es wirft zielgenau UV-Lichtpunkte auf die für die Bindung der DNA-Fragmente vorgesehenen Positionen. An den dunkel gebliebenen Stellen findet keine Bindung statt. Danach wird eine Lösung mit der nächsten Bausteinsorte auf die Reise geschickt, und so weiter. Am Ende sind die Mikrokanäle in regelmäßigen Abständen mit DNA-Ketten von 25 Bausteinen Länge bepflanzt.

Wohin das Mikrospiegel-Bauteil seine Lichtpunkte schickt, bestimmt die Steuerelektronik des Geniom-Geräts. Die korrekte Abfolge der Bausteine holt sich die Software aus dem Speicher, in den der Versuchsleiter zuvor die gewünschten Erbsubstanz-Sequenzen geladen hat. Ebenfalls per Software gesteuert finden schließlich Analyse und Auswertung auf dem fertigen DNA-Prozessor statt.

In der zweiten Jahreshälfte 2001 liefert febit einige Geräte an „Beta-Tester” aus, die unter Laborbedingungen den DNA-Prozessor ausprobieren und Tips zur Weiterentwicklung geben sollen. Einer der Tester wird das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidel-berg sein. „Eine interessante Chance, mit Hilfe von ‚Geniom one‘ großräumig festzustellen, wie sich die Gen-Regulation von Krebszellen und gesunden Zellen unterscheidet” , freut sich Molekularbiologe Dr. Jörg Hoheisel, Leiter der DKFZ-Abteilung Funktionelle Genomanalyse.

Auch Prof. Hans Günter Gassen von der TU Darmstadt, ein Vorreiter der Biotechnologie in Deutschland, verteilt ohne Zögern Vorschußlorbeeren: „Die Firma febit hat sich mit ‚Geniom one‘ exzellent plaziert. Ein programmierbarer Biochip ist genau das, was man jetzt in den Life Sciences braucht, um zu beobachten, wann welche Produkte von den Genen erzeugt werden.”

Thorwald Ewe

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