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Der Schritt ins Licht

Allgemein

Der Schritt ins Licht
Mikrosystemtechnik in Deutschland: die ersten Erfolge. „Schlüsseltechnologien für das 21. Jahrhundert“ – dieses Etikett schmückt die noch junge Disziplin Mikrosystemtechnik. Wissenschaftlich liegen die Deutschen hier seit Jahren mit an der Weltspitze. Und im Gegensatz zu vielen verpaßten Chancen der Vergangenheit winkt die Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg. INFOS IM INTERNET: Mikrosystemtechnik-Übersicht des VDI/VDE: http://www.vdivde-it.de/IT/FPMST/ Institut für Mikrotechnik, Mainz: http://www.unimainz.de/IMM/Welcome.html

Mit einem fast unsichtbaren Bauteil begann vor knapp zehn Jahren der Wettlauf um die Märkte der Zukunft: ein Mikromotor aus Silizium, vorgestellt von Prof. Richard Muller im kalifornischen Berkeley. Kaum zu glauben – mit seinen 0,06 Millimeter Durchmesser hätte der Winzling in ein menschliches Haar gepaßt.

Die weltweite Euphorie war danach kaum zu bremsen. Auch deutsche Forscher setzten frühzeitig auf die Maschinen aus dem Lande Liliput. Ein „Wachstum ins Kleine“ hatten bereits 1984 Dr. Walter Kroy vom vormaligen deutschen Flugzeugbauer MBB und der Fraunhofer-Forscher Prof. Anton Heuberger gefordert. Sie tauften das damals noch hypothetische Gebiet auf den Namen „Mikrosystemtechnik“ (MST).

„Die elektronischen Schaltkreise der Mikrochips brauchen Augen, Ohren, Nasen und Hände“, hatten die beiden erkannt. Ihr Ansatz: Winzige elektronische, optische, biochemische und mechanische Bauelemente sollten auf einem nur Millimeter großen Chip zu einem komplexen Ganzen vereint werden. Auf diese Weise könnten Mini-Sensoren (Augen, Ohren, Nasen) Daten gewinnen, die im „Gehirn“ des Mikrochips intelligent verarbeitet und über die Aktoren („Hände“) schließlich sinnvolle Aktionen ausführen würden.

Daß dies mehr als nur ein Gedankenspiel war, demonstrierte in der Folgezeit nicht nur Muller. Auch der Stempel „Made in Germany“ schmückte etliche internationale Spitzenleistungen: Kroy präsentierte einen wenige Millimeter großen Mikrolaser mit beweglichen Spiegeln. Am Münchener Fraunhofer-Institut für Festkörpertechnologie entwickelte Dr. Axel Richter 1990 die weltweit kleinste Pumpe, und Prof. Wolfgang Menz konstruierte am Forschungszentrum Karlsruhe eine 0,1 Millimeter große Turbine aus Nickel.

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Die Unternehmensberatung McKinsey bezeichnete die Mikrosystemtechnik als einzige Zukunftstechnologie, in der Deutschland noch führend sei. Und das Battelle-Institut in Frankfurt erwartete eine „technologische Revolution in den neunziger Jahren“, vergleichbar nur mit dem Einzug der Mikroelektronik.

Wie sieht die Realität im Jahr 1997 aus? Wo sind die breiten Anwendungen, für die bis zum Jahr 2000 – je nach Studie und Definition – ein Weltmarkt von 20 bis 70 Milliarden Mark prophezeit wurde? Wird es wieder einmal heißen: Die Deutschen waren top in der Forschung, aber landeten einen Flop, als es um die wirtschaftliche Umsetzung ging?

An fehlender Förderung konnte die Mikrosystemtechnik jedenfalls nicht scheitern. Bis zum Jahr 2000 werden knapp eine Milliarde Mark an staatlichen Geldern in MST-Programme geflossen sein – rund die Hälfte davon an mittelständische Unternehmen.

Auch die Hochschulen standen nicht abseits. 1990 startete an der Fachhochschule Regensburg der erste Studiengang „Mikrosystemtechnik“. Weitere folgten – im Wintersemester 1996/1997 nun auch das erste Hauptstudium an einer Universität, das Prof. Wolfgang Menz mit 40 Studenten in Freiburg begründete.

Mit rund 50 Studenten pro Jahrgang hat aber immer noch der Pionier Regensburg deutschlandweit die höchsten Ausbildungszahlen in dieser Fachrichtung. Inzwischen schwärmten die ersten beiden Absolventenjahrgänge aus der Stadt an der Donau in die Industrie aus. Was aus diesen jungen Spezialisten geworden ist, belegt am besten, wie es um die Anwendungs-Chancen der Mikrosystemtechnik in Deutschland bestellt ist.

Prof. Helmut Hummel, der den Regensburger Studiengang mit aufbaute, weiß nur Gutes zu berichten: „Von unseren ersten Absolventen war nach dem Studium niemand arbeitslos.“ Weit zu suchen brauchten viele seiner Schützlinge nicht: Der größte Arbeitgeber am Ort ist nur wenige Fahrminuten von der Fachhochschule entfernt. Hier, im Regensburger Siemens-Werk, arbeiten heute rund ein Drittel der Absolventen – insbesondere in der Fertigung von Speicherchips und Chipkarten, in der Qualitätssicherung und der Optoelektronik.

„Dank unseres breit angelegten Studiums können wir uns gut in die Probleme hineindenken, die entstehen, wenn verschiedenste Bauteile miteinander ver-bunden werden sollen“, sagt Martin Weigert, einer der Mikrosystemtechniker der ersten Stunde. Der Fachhochschul-Ingenieur weiß, wovon er redet: Für die optische Nachrichtenübertragung muß Weigert winzige Laserdioden, Photodetektoren, beschichtete Prismenspiegel und Linsen aus Silizium auf nur millimetergroßen Flächen unterbringen. Sie sollen Infrarotlicht optimal in den 0,01 Millimeter dünnen Kern einer Glasfaser ein- und auskoppeln.

Die Nachfrage nach diesen Bauteilen ist enorm: 70 bis 80 Prozent des Glasfasernetzes in den neuen Bundesländern enthalten die „BIDI-Module“ aus Regensburg, die eine Übertragung von Nachrichten in beide Richtungen – „bidirektional“ – in einer einzigen Faser ermöglichen.

Von Deutschland ausgehend, setzt sich die BIDI-Technik nun auch in den USA und in Japan durch. Doch das ist erst der Anfang. „Die Entwicklung geht in Richtung Fiber-to-the-Home“, prophezeit Weigert: Glasfaserkabel bis in jeden Haushalt. Damit ließen sich pro Sekunde ganze Lexika übertragen.

Die Praxiserfahrungen von Weigert und seinen Kollegen lösten bereits die erste Studienreform an der Fachhochschule Regensburg aus: „Insbesondere die Fächer Werkstofftechnik, Konstruktion, Regelungstechnik und Signalverarbeitung wurden verstärkt“, berichtet Helmut Hummel. Inzwischen will sogar die Volksrepublik China einen Studiengang Mikrosystemtechnik nach dem Regensburger Vorbild einführen.

„Auch für uns Mittelständler werden die Mikrosystemtechniker jetzt interessant“, lobt Alfred Böhm von der Firma Ultrakust die Flexibilität und Anwendungsnähe der Regensburger Professoren. Anfangs sei der Studiengang noch zu stark von den Bedürfnissen der Firma Siemens geprägt gewesen. Mittelständler wie Ultrakust im niederbayerischen Gotteszell, wo Böhm den Bereich Entwicklung leitet, hätten deshalb eher auf Elektrotechniker zurückgegriffen.

Doch heute arbeiten fast 20 Prozent der Regensburger Absolventen bei Mittelständlern. Denn auch deren Produkte dringen immer weiter in die Mikrowelt vor: Ultrakust beispielsweise stellt faseroptische Feuchtemeßgeräte her, bei denen der eigentliche Sensor aus den Mikroporen einer aufgedampften Schicht am Ende einer Glasfaser besteht.

Aus einer Studie des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie geht hervor, daß 6000 Unternehmen in Deutschland Verfahren der Mikrosystemtechnik einsetzen könnten. Indes: „Mittelständische Firmen werden nur selten das eigentliche Mikrosystem fertigen können“, urteilt Böhm. Die nötigen Reinräume, Aufdampfanlagen und Belichtungsgeräte seien einfach zu teuer und das Know-how zu selten vorhanden.

Nur zwei Prozent aller deutschen Firmen mit weniger als 100 Millionen Mark Jahresumsatz hätten derartige Technologien im eigenen Hause, steht in der ministeriellen Studie. Mikrosysteme sollten deshalb am besten in Verbundprojekten mit der Großindustrie oder in Dienstleistungszentren gefertigt werden: Die Mittelständler könnten Ideen liefern und die danach gefertigten Systeme anschließend in ihre Endprodukte einbauen.

Dieser Verbund- oder Dienstleistungsgedanke steckt denn auch hinter einigen Initiativen, die nach Anlaufschwierigkeiten nun erste wirtschaftliche Erfolge vorweisen können:

Das Projekt Mikrosystemtechnik (PMT) am Forschungszentrum Karlsruhe. Hier arbeiten 250 Wissenschaftler nicht nur in der Grundlagenforschung, sondern auch an vermarktbaren Produkten. 40 Prozent der Projekte werden zusammen mit der Industrie betrieben, bis hin zur Fertigung von Kleinserien. Mikropumpen und Mikrospektrometer werden bereits jeden Monat in Hunderter-Stückzahlen hergestellt. Mit Mitsubishi hat das PMT im Dezember 1996 einen Lizenzvertrag über die Fertigung eines mikrooptischen Sensors abgeschlossen. Auch mit Mittelständlern arbeitet das PMT zusammen: Mit der Aesculap AG in Tuttlingen hat es für neurochirurgische Operationen Mikrozangen und -scheren mit einem Durchmesser von 0,63 Millimetern entwickelt. Das Institut für Mikrotechnik Mainz. Das IMM ist eine gemeinnützige GmbH mit rund 170 Mitarbeitern, die Industriepartner so weit wie möglich in den Markt begleiten will. Ihr Gründer, Prof. Wolfgang Ehrfeld, erfand Ende der siebziger Jahre in Karlsruhe das LIGA-Verfahren. Damit können Mikrostrukturen auch aus Kunststoff, Metall und Keramik in hohen Stückzahlen preiswert hergestellt werden. Die Firma microParts in Dortmund. Sie ist Lizenznehmerin der LIGA-Technik. Gegründet wurde das 80 Mitarbeiter starke Unternehmen vor sieben Jahren von Konzernen wie Krupp-Hoesch, Hüls, Rheinmetall, Steag und VEW, um MST-Produkte weltweit zu vertreiben. Mikrostecker mit 130 Polen auf einem Zentimeter Breite und optische Komponenten zählen zu den Produkten. 1996 schloß microParts einen langfristigen Vertrag mit der Pharmafirma Boehringer Ingelheim, um einen umweltfreundlichen Aerosol-Zerstäuber auf den Markt zu bringen. In diesem Inhalationsgerät wird eine hochpräzise Düsenstruktur für gleichmäßige Vernebelung sorgen. Auch der seit Jahrzehnten am Markt etablierte Bosch-Konzern bietet in seinem Sensorzentrum in Reutlingen Interessenten sein Know-how an. Vor einigen Monaten veröffentlichte er „Design-Regeln“ für mikromechanische Bauteile der sogenannten Surface-Technologie (siehe „Wie die Winzlinge entstehen“ auf Seite 28). Anwender können damit die von ihnen gewünschten Strukturen entwerfen und bei Bosch fertigen lassen. Bislang blieb allerdings der große Run mittelständischer Firmen aus: Sie kaufen lieber fertige Mikrosysteme, anstatt sie eigenhändig zu entwerfen.

Bosch selbst ist sehr aktiv im MST-Geschäft. Auch einige der Regensburger Absolventen sind dort gelandet. Der Hintergrund: Die Automobiltechnik, eines der Hauptstandbeine des Unternehmens, gehört in den nächsten Jahren zu den wichtigsten Einsatzbereichen für Mikrosysteme. Nach einer Studie der System Planning Corporation im US-Bundesstaat Virginia wird sie mit 40 Prozent Marktanteil ebensoviel vom MST-Kuchen abbekommen wie die Kommunikations- und Informationstechnik – den Rest werden Medizin- und Produktionstechnik unter sich aufteilen.

Für die Autoindustrie fertigt Bosch derzeit Drucksensoren aus Silizium zur Messung von Ansaug- und Tankdruck, Durchflußsensoren, um den Lastzustand des Motors zu bestimmen, Beschleunigungssensoren für Airbag, ABS und Fahrdynamikregelung sowie ab 1998 einen mikromechanischen Drehratensensor, der Schleuderbewegungen des Autos erfaßt und eine Gegensteuerung veranlaßt. Dieser Chip mit zwei schwingenden Siliziumplatten wird mit sieben mal sieben Millimetern nur noch ein Drittel so groß und so schwer sein wie der bisher verfügbare Sensor, der einen vibrierenden Stahlzylinder enthält.

Auch die Daimler-Benz-Forscher in Ottobrunn bei München setzen auf Mikrosysteme. Ihr integrierter Beschleunigungssensor enthält ein Silizium-Plättchen, das nur ein Milligramm wiegt. Mitsamt Datenabgleich, Temperatur-Kompensation und Signalverstärkung paßt es auf einen einzigen Chip. In diesem Jahr hat eine entsprechende Fertigungslinie in Ottobrunn begonnen. Ab 1998 wird die Daimler-Benz-Tochter Temic jährlich bis zu zehn Millionen neue Airbag-Systeme mit diesem Sensor ausliefern.

Natürlich haben auch in Ottobrunn MST-Ingenieure Arbeit gefunden. Einer davon ist Alois Friedberger, der an der Fachhochschule München Physikalische Technik mit dem Schwerpunkt Mikrosystemtechnik studierte. Wie etliche seiner Kollegen hat er ein Praktikum und die Diplomarbeit im Ausland absolviert – bei Richard Muller in Berkeley. „Als einer der ersten FH-Studenten in Deutschland“, sagt Friedberger, „werde ich auch promovieren – mit einer Arbeit über poröses Silizium für mikrotechnische Bauelemente.“

Auch Michael Schötz hat einen ungewöhnlichen Werdegang: Der Kfz-Mechaniker hatte sich nach Abschluß des Fachabiturs entschlossen, in Regensburg Mikrosystemtechnik zu studieren. In einem Praxissemester bei Daimler-Benz simulierte er am Computer den Airbag-Sensor. Seine Diplomarbeit legte er in den Siemens-Forschungslabors in München-Perlach ab – als Mit-Konstrukteur eines Drucksensors besonderer Art.

„Es ist weltweit das erste Mal, daß ein integriertes mikromechanisches Sensorsystem ausschließlich in einem Standardprozeß der Mikroelektronik gefertigt wird“, sagt Dr. Christofer Hierold, der Leiter des MST-Forschungsteams. Dabei nutzen die Perlacher die Siliziumschichten, die für die Auswerte-Elektronik auf den Chip aufgebracht werden, zugleich für die Mikromechanik: Aus ihnen wird eine dünne Silizium-Membran geformt. Durch Druckdifferenzen ausgelenkt, fungiert sie als Sensor für die Druckmessung.

Zu keinem Zeitpunkt während der rund 300 Prozeßschritte muß das Sensorsystem die klassische Mikroelektronik-Fertigungslinie („CMOS-Technik“) verlassen. Da Dutzende der neuen Sensoren auf der Fläche eines bisherigen mikromechanischen Sensors Platz finden, kann der Drucksensor sehr günstig produziert werden.

Nur so“, sagt Hierold, „werden wir in den Bereich der echten Massenanwendung vorstoßen.“ In Stückkosten ausgedrückt heißt das: Um die Jahrtausendwende soll ein derartiger Sensor für die Auto-Industrie nur noch drei bis fünf Dollar kosten – halb so viel wie heute.

Fahrzeuge, Produktions- und Medizintechnik, vom Blutdruckmeßgerät bis zur Hörhilfe: Die Einsatzgebiete des integrierten Drucksensors sind kaum überschaubar. Damit „das Baby schnell erwachsen wird“, begleitet Michael Schötz den Sensor durch die Siemens-Bereiche, von der Forschung über die Halbleiterfertigung bis zur Anwendung.

„Im Moment ist es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, daß der Sensor die Tests in der Automobiltechnik besteht“, sagt er. Dank der ständigen Betreuung durch den MST-Spezialisten geht der Weg von der Idee zum Produkt ohne große Reibungsverluste vonstatten.

Mullers berühmter Mikromotor, mit dem 1988 der Wettlauf begann, hatte nie eine wirkliche Chance auf industrielle Anwendungen: Jeder noch so kleine Krümel war tödlich für den Siliziumrotor, der sich in Minuten buchstäblich bei der Arbeit aufrieb. Doch seine Nachfolger – ob nun Airbag- oder Drucksensor, Lasermodul oder Mikrozange – sind ihren Aufgaben besser gewachsen.

1997 und 1998 dürften als die Jahre des wirtschaftlichen Durchbruchs der Mikrosysteme in die Technikgeschichte eingehen. Und wenn nicht alles trügt, haben diesmal Politiker, Forschungsinstitute und Industrie in Deutschland die Zeichen der Zeit richtig erkannt.

Wo Mikrosysteme zum Einsatz kommen Klein, leicht, kompakt: Mikrosysteme brauchen wenig Material und Energie. Deshalb sind sie umweltverträglicher als technische Komponenten mit größeren Maßen. Sie vereinen häufig mehrere Funktionen in sich: etwa einen Sensor, die Auswerte-Elektronik und einen Aktor.

Ihr Einzug in die Alltagstechnik hat begonnen: Fahrzeugtechnik Firmen wie Bosch, Temic und Siemens fertigen: Drucksensoren für Ansaugdruck und Tankdruck sowie Durchflußsensoren für das Motormanagement. Beschleunigungssensoren für Front- und Seiten-Airbag, ABS und Fahrdynamik-Systeme. Drehratensensoren zur Erfassung von Schleuderbewegungen.

Kommunikation Der Schreib-/Lesekopf für Festplattenspeicher in Computern ist mit einem weltweiten Umsatz von rund fünf Milliarden Mark eines der wirtschaftlich bedeutendsten Mikroteile. Der Druckkopf im Tintenstrahldrucker besteht aus einem Siliziumchip mit mikrostrukturiertem Heizelement, einer Kunststoffplatte mit Kanälen zur Tintenzufuhr und einer geätzten Nickelplatte zum Ausstoß des Tintentropfens. Texas Instruments hat für das Projektionsfernsehen der Zukunft eine Anordnung von einigen hunderttausend beweglichen Mikrospiegeln zur Ablenkung der Lichtstrahlen vorgestellt. Mikrosysteme sorgen für die optische Datenübertragung über Glasfasern.

Umweltschutz Im Forschungszentrum Karlsruhe entsteht eine „Mikronase“ mit 40 unterschiedlichen Gassensoren auf einer Chipfläche von acht mal neun Millimetern. Mit ihrer Hilfe könnte künftig die Kfz-Steuer gemäß der Zusammensetzung der Abgase erhoben werden. In einem Mikrospektrometer der Firma microParts sind alle Funktionselemente – Wellenleiter, Spiegel, Gitter – in einer hochpräzisen Kunststoffstruktur integriert. Bei der Trink- und Abwasserüberwachung kann dieses Gerät ebenso helfen wie bei der Steuerung von Farbdruckprozessen bei Farbkopierern und Tintenstrahldruckern. Mikrotechnische Gassensoren für Schwelbrandmelder setzt die RWE in Braunkohle-Kraftwerken ein. Die Firma Ultrakust in Gotteszell entwickelte einen faseroptischen Feuchtesensor mit einer Sensorschicht aus Mikroporen am Ende einer Glasfaser.

Medizin Die Mikrozangen und -scheren der Aesculap AG für neurochirurgische Eingriffe sind auch ohne Gelenke weitgehend elastisch – bei einem Durchmesser von nur 0,63 Millimetern. Die Dornier Medizintechnik hat eine taktile Faßzange entwickelt. Nach den Signalen von Drucksensoren am einen Ende des Endoskops wird eine Art Fingerhut am anderen Ende weicher oder härter. Er vermittelt dadurch dem Arzt ein Gefühl für die Elastizität des Gewebes, das er mit der Mikrozange abtastet. So kann er zum Beispiel krebsverdächtige Knoten erkennen. Am Fraunhofer-Institut für mikroelektronische Schaltungen und Systeme (IMS) in Duisburg wurde das Cochlea-Implantat entwickelt – eine Hörhilfe, die Signale direkt an die Hörnerven weiterleitet. Ebenfalls am IMS entsteht ein integrierter Druck-/Temperatursensor für einen arteriellen Katheter. Einen Aerosol-Zerstäuber für Asthmakranke fertigt die Firma microParts.

Wie die Winzlinge entstehen Vor allem zwei Verfahren bestimmen heute die Technologie der Mikrostrukturierung: Erstens die aus der Mikroelektronik übernommene Bearbeitung von Silizium und zweitens die LIGA-Technik. Aus Silizium, dem am besten untersuchten Stoff der Welt, können durch Ätzverfahren winzige dreidimensionale Strukturen herausmodelliert werden – entweder aus dem massiven Grundkörper („Bulk-Technologie“) oder aus nachträglich aufgebrachten Schichten („Surface-Technologie“). Den Vorteilen – der Integration mikromechanischer, mikroelektronischer und eventuell mikrooptischer Bauteile auf einem Chip, verbunden mit der großen Härte und Elastizität des Siliziums – steht der Nachteil der Kristallstruktur entgegen: Aus kristallinem Silizium lassen sich beispielsweise nur sehr schwer hohe, senkrechte Wände „schnitzen“.

Hier setzt das LIGA-Verfahren ein: Aus einem Kunststoff werden durch das parallele Röntgenlicht einer Synchrotronquelle beliebige Strukturen mit hoher Tiefenschärfe herausgearbeitet. In einem Galvanisierungsschritt füllt man sie danach mit Metall. Die entstehende Struktur kann dann als Formeinsatz für den Spritzguß verwendet werden. So lassen sich Mikrostrukturen aus Kunststoff, Metall oder Keramik in Massenfertigung herstellen.

Ein der Mikroelektronik vergleichbarer Triumphzug blieb der Mikrosystemtechnik bislang versagt – vor allem aus einem Grund: Es fehlt noch an leistungsfähigen Entwurfs- und Simu-lationsprogrammen für die Fertigungsprozesse und für die Bauteile selbst.

Infos im Internet Mikrosystemtechnik-Übersicht des VDI/VDE: http://www.vdivde-it.de/IT/FPMST/

Institut für Mikrotechnik, Mainz: http://www.uni-mainz.de/IMM/Welcome.html

Ulrich Eberl

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