Leichen pflastern seinen Weg: Jedes Jahr sind es rund 1800 Tote, die auf den Seziertischen von Volkmar Schneider und seinen Mitarbeitern landen. Für den Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Freien Universität Berlin heißt es Tag für Tag: Leichen zerlegen, Organe entnehmen und Spuren sichern, die belegen, wann, wie und unter welchen Umständen jemand sein Leben ließ. Ein knallharter Job: „Hier kann nur bestehen, wer physisch und psychisch in Toppform ist“, konstatiert Schneider. Es erfordert eine gehörige Portion Selbstkontrolle – etwa bei der Sektion eines zu Tode strangulierten Kindes – die Befunde kurz, knapp und sachlich ins Diktiergerät zu sprechen. „Man darf nie mit den Fällen leiden, die gerade vor einem auf dem Seziertisch liegen“, rät Schneider seinen Studenten. Er selbst ist seit nunmehr 35 Jahren im Geschäft. Nur einen Monat nach seinem Dienstantritt lag im Juni 1967 Benno Ohnesorg, der bei einer Demonstration von einem Polizisten erschossen wurde, vor ihm auf dem Seziertisch. Ein Stab aus Kriminalbeamten, Staats- und Rechtsanwälten schaute Schneider bei seiner Arbeit auf die Finger. In seinem ersten brisanten Fall wurde ihm eines klar: Sauberes Arbeiten und eine lückenlose Dokumentation der Befunde haben oberste Priorität. So wurde der Beruf für Schneider zur Berufung: die Wissenschaft an Toten, die nicht einfach ihr Leben aushauchten, sondern erwürgt, vergiftet oder erschlagen wurden, Suizid begingen oder bei einem Unfall umkamen. An Ruhestand denkt der 62-Jährige noch lange nicht. Als Vize-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin will er 2004 die 100-Jahr-Feier der deutschen Rechtsmedizin in Berlin ausrichten.
Hans Groth