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Deutschlands heimlicher Wissenschaftsminister

Allgemein

Deutschlands heimlicher Wissenschaftsminister
Mit seiner Rede auf dem Berliner Bildungsforum im November profilierte sich Bundespräsident Roman Herzog einmal mehr als Bildungsexperte.

Eine „großartige Rede“ befand die Wirtschaft, einen „Schritt nach vorn“, akklamierten selbst die Vertreter der parlamentarischen Opposition. Von höchster politischer Warte war ein „Aufbruch in der Bildungspolitik“ gefordert worden. Für die Bundesrepublik müsse die Bildung in Schule, Beruf und Hochschule zum „Megathema“ der kommenden Jahre werden. „Wir brauchen eine breite, nationale Debatte über die Zukunft unseres Bildungssystems.“

Der das sprach, war indes nicht der von Amts wegen zuständige Minister Jürgen Rüttgers, sondern Bundespräsident Roman Herzog, der mit seiner bildungspolitischen Rede Anfang November einen ähnlichen Akzent setzte wie mit seiner „Berliner Rede“ vom April 1997.

„Ich wage mich auf vermintes Gelände“, bekannte der Bundespräsident. Kaum etwas in Deutschland ist so durch bürokratische Regularien gefesselt wie die Erziehung und Ausbildung der nachwachsenden Generationen. Seit zwei Jahrzehnten wird von der Hoch-schulreform gesprochen, aber noch immer hat Deutschland die ältesten Universitäts-Absolventen, überfrachtete Studiengänge und mehr als ein Drittel an Studienabbrechern. Immerhin wird mit der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes ein neuer Anlauf zur Besserung unternommen.

„Die Rede hat mir gefallen, die Berichterstattung über die Rede hat mich weithin enttäuscht, die politische Zustimmung zu dieser Rede aber hat mich empört“, sagte der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Wolfgang Frühwald. „Das allseits nickende Einverständnis mit den Thesen der Rede besagt doch nichts anderes, als daß Einsicht in und Wissen um die Zustände weit verbreitet sind, Handlungsfähigkeit aber ein rares Gut geworden ist.“ Herzog dagegen läßt kaum eine Gelegenheit verstreichen, Ereignisse und Initiativen in der Bildungspolitik mit dem Gewicht seines Amtes aufzuwerten. Inzwischen ist der Bundespräsident in Berlin auf herausragenden Wissenschafts- und Technikterminen ein häufigerer Gast als der zuständige Minister der Bundesregierung. Ob er beim Festakt der Berlin-Brandenburgischen Wissenschaftsakademie den Niedergang der Grundlagenforschung anprangert oder als Schirmherr dem bundesweiten Existenzgründer-Wettbewerb „Start up“ seinen Segen gibt – die Themen Innovation, Wissenschaft und Bildung üben eine besondere Attraktion auf Roman Herzog aus.

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Im September lud er 5000 Erfinder und Innovatoren zum „Fest der Ideen“ nach Berlin. „Deutschland muß zeigen, daß die alte Umschreibung als ,Volk der Dichter und Denker` sich fortsetzt in ,Volk der Techniker und Erfinder`“, hob Herzog hervor und verband dies mit der Stiftung des Deutschen Zukunftspreises, der Ende November erstmals vergeben wurde. Mit 500000 Mark ist er eine der höchstdotierten Technikauszeichnungen in Deutschland und soll eine Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis schlagen. Der Preis prämiert künftig jährlich eine technische oder naturwissenschaftliche Entwicklung, die anwendungs- und marktfähig ist. Entscheidend ist dabei die Frage, ob mit dieser Innovation auch Arbeitsplätze geschaffen werden.

„Für Deutschland ist es überlebenswichtig, daß unsere Wirtschaft verlorengegangenes Terrain wiedergewinnt, technologisch im Spitzenfeld bleibt, daß die Forschungsergebnisse schnell und im eigenen Land Anwendung finden und daß das Bewußtsein für die Chancen neuer Spitzentechnologien geschärft wird“, so Herzog zur Intention des Preises. „Wir müssen wegkommen von einer ausschließlich auf Risiken konzentrierten Debatte hin zu einer offenen Einstellung, die die positiven Möglichkeiten der Innovation und ihre Chancen für Arbeitsmarkt und Humanität unterstreicht.“

Inzwischen beginnt das präsidiale Engagement für Wissenschaft und Bildung in Berlin Früchte zu tragen. Während das „Fest der Ideen“ dort erfolgreich zu Ende ging, war das Leipziger Innovations- und Forschungsforum ein Fehlschlag, denn die nationale Leistungsschau von Wissenschaft und Technik im September fand fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Vor diesem Hintergrund hat sich jetzt ein Berliner Konsortium beim Rüttgers-Ministerium um die Ausrichtung des Forschungsforums 1998 beworben. Ziel ist eine nationale Leitveranstaltung für den Bereich Wissenschaft und Innovation, wie er in anderen Industrienationen gang und gäbe ist.

Auch die Berliner Hochschulen schätzen die präsidiale Zuwendung. Nachdem die drei Berliner Universitätspräsidenten Roman Herzog im Dezember 1996 ihr Leid über die fortschreitende Finanzstrangulierung ihrer Hochschulen geklagt hatten, lud der Präsident die drei im Frühjahr demonstrativ ein, seinen Staatsbesuch in Japan als offizielle Vertreter der deutschen Wissenschaft zu begleiten. Unter dem Eindruck der nationalen Wertschätzung, die Wissenschaft und Technik in Fernost genießen, wurde auf dem Rückflug nach Deutschland der Gedanke einer großen bildungspolitischen Ansprache geboren. Die Berliner Hochschulen richteten daraufhin im November das „Berliner Bildungsforum“ aus, auf dem Herzog als Gastredner sprach.

Die Initiative soll im kommenden Frühjahr weitergetragen werden, wenn die Berliner Hochschulen einen regionalen Bildungsgipfel in Form einer großen Bildungskonferenz veranstalten, an der auch Roman Herzog teilnehmen wird. Dann wollen die Berliner Hochschulen unter Beweis stellen, daß die Ermahnungen der Herzog-Rede am Ort des Geschehens auf fruchtbaren Boden gefallen sind.

Manfred Ronzheimer

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