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Die beleidigte Göttin weinte sich

Allgemein

Die beleidigte Göttin weinte sich

Die beleidigte Göttin weinte sich bei ihrer Mutter aus und forderte wutentbrannt von ihrem Vater:

„O Vater, Gilgamesch hat mich beleidigt,

mir viele schlimme Taten vorgeworfen,

(ja) üble Taten und (gar) böse Werke!…

O Vater, schaff für mich den Himmelsstier,

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auf dass (zerschmettere er) Gilgamesch!“

Was war Empörendes geschehen? Gilgamesch, König von Uruk, hatte die eindeutigen Avancen von Inanna – Stadtgöttin von Uruk, Königin von Himmel und Erde, Göttin des Krieges und der Wollust – zurückgewiesen. Er hatte der heißblütigen Göttin das üble Schickal ihrer verflossenen Liebhaber vorgehalten und dankend verzichtet – ein unerhörter Affront. Doch Gilgamesch, der alles überragende Heros der altorientalischen Literatur – zu zwei Dritteln Gott, zu einem Drittel Mensch –überstand den Anschlag der zornigen Göttin mit dem Himmelsstier.

Die Sage von dem ersten Menschen, der „Ich“ sagte, und auf der faustischen Suche nach dem Sinn des Lebens den Zorn der Götter nicht fürchtete, ist um 2000 v.Chr. in Keilschrift festgehalten worden. Die mündlich traditierte Erzählung ging weit in die mesopotamische Vorzeit zurück. Es waren mehrere mythische Einzelgeschichten um den heldenhaften König von Uruk, sie wurden weit über den mesopotamischen Raum hinaus bekannt. Um 1200 v.Chr. schuf ein babylonischer Dichter aus den Einzelteilen ein durchgängiges und formvollendetes Epos. Dessen Abschrift klaubte der britische Archäologe Austen Layard 1849 auf Tontafel-Fragmenten vom Boden der Bibliothek Assurbanipals, des letzten großen assyrischen Königs (668 bis 627 v.Chr.). Das Wort „ Sintflut“ stach dem britischen Gelehrten ins Auge – und bald war klar, dass die Verfasser des Alten Testaments bei ihrer Erzählung der „bi- blischen Sintflut“ schamlos abgekupfert hatten. Nur Noah hieß bei den alten Babyloniern anders: Utnapischtim.

Die Entzifferung des Gilgamesch-Epos kann als abgeschlossen betrachtet werden, auch wenn immer wieder Bruchstücke auftauchen – wie jüngst in den Arsenalen des Vorderasiatischen Museums in Berlin. Was den heutigen Leser an der über 4000-jährigen Geschichte fasziniert, ist die modern anmutende Mischung aus Kampf mit den Naturgewalten, Sexualität und Freundschaft als Überwindung der Naturtriebe, die Suche nach dem Sinn des Lebens und dem eigenen Bewusstsein, der Wunsch nach Unsterblichkeit.

Gilgamesch, König von Uruk, kujoniert nach der Erzählung seine Untertanen mit harter Fronarbeit für die Stadtmauer. Das Volk murrt und beschwert sich bei den Göttern. Die schaffen aus Lehm einen Gegenspieler, den „Wilden“ Enkidu, der mit den Tieren lebt. Von einer Prostituierten mit reichlich Beischlaf, Brot und Bier sozialisiert, kommt Enkidu in die Stadt und kämpft mit Gilgamesch. Da keiner siegen kann, werden sie Freunde, die nach hochfahrender Männerart hauptsächlich Kraftmeierei und Unsinn im Kopf haben: „Einen Namen will ich mir machen!“.

Bäume fällen im Libanon zum Beispiel, ist dem Menschen verboten. Doch die hochwachsenden Zedern des Mittelmeerlandes sind begehrtes Bauholz für die immer größer werdenden Tempel und Paläste. Beim Holz-Raubzug bringen die beiden Freunde den Wächter des Zedernwaldes Chumbaba um.

Zurückgekehrt nach Uruk, bekommt Gilgamesch das erotische Angebot seiner Stadtgöttin, das er rüde ablehnt. Den zur Rache ausgesandten Himmelsstier können die beiden Gefährten töten, doch das zieht den – von den Göttern dafür beschlossenen – Tod Enkidus nach sich. Gilgamesch stürzt in tiefe Verzweiflung – und denkt wohl zum ersten Mal nach: Wofür lebe ich? Was ist mein Schicksal? Wo ist Unsterblichkeit?

Nach langen Wanderungen und vielen Gefahren kommt Gilgamesch zu Utnapischtim und dessen Frau, den einzigen Überlebenden der Sintflut. Utnapischtim, der altmesopotamische Noah, schildert ihm ausführlich Sinn und Verlauf der Sünden löschenden Wassermassen und verrät dem Sinnsucher, wie er unsterblich werden kann: Ein Wunderkraut am Meeresgrund werde ihn verjüngen. Gilgamesch findet die Pflanze, doch bevor er sie essen kann, wird sie ihm von einer Schlange geraubt. Der König von Uruk erkennt, daß der Mensch nicht für die Unsterblichkeit bestimmt ist. Gereift kehrt er in seine Stadt zurück und betrachtet nunmehr gelassen den Bau „ seiner“ Stadtmauer – sie wird ihn unsterblich machen.

Rat der Wirtin Suduri an Gilgamesch

Gilgamesch, fülle deinen Bauch,

sei fröhlich bei Tag und Nacht,

lass jeden Tag ein Fest der Freude sein …

Blicke das Kind an, das deine Hand hält,

Lass deine Frau sich an deiner Umarmung erfreuen!

Dies allein ist die Aufgabe des Menschen.

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