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Die Facettenaugen der Atacama

Allgemein

Die Facettenaugen der Atacama
In Chile entsteht die größte Teleskop-Anlage der Welt. Sie soll es den Astronomen erlauben, die Geburt von Galaxien, Sternen und Planeten genau zu verfolgen.

Die Teilnehmer der bdw-Leserreise vom November 2005 kennen die außergewöhnlichen Klimaverhältnisse in der Atacama: Diese öde Region im Norden Chiles ist eine der niederschlagsärmsten Wüsten der Welt. Die Luft in der dünn besiedelten Gegend ist extrem trocken und klar, Wolken oder gar Regen sind äußerst selten – für die Astronomen ideale Bedingungen, um den Himmel nach unbekannten kosmischen Objekten und Ereignissen abzusuchen. Daher haben die Wissenschaftler bereits mehrere astronomische Beobachtungsstationen in der Atacama-Wüste errichtet. Nun wächst ein neues Observatorium aus dem Wüstenboden empor: das Atacama Large Millimeter Array (ALMA).

Dieses Instrument wird einmal aus 50 einzelnen beweglichen Parabolantennen bestehen, von denen jede einen Durchmesser von zwölf Metern hat. Das mächtige Antennen-Array soll das All im Frequenzbereich von 30 bis 950 Gigahertz ins Visier nehmen – das entspricht einer Wellenlänge von einigen Mikrometern oder Millimetern. Neben der Beobachtung des sichtbaren Lichts der Sterne und Galaxien und dem Auffangen von Radiowellen bietet die Atmosphäre den Astronomen in diesem Teil des elektromagnetischen Spektrums ein drittes „Fenster“ für den Blick ins All.

Durch das Mikro- und Millimeterwellen-Fenster lassen sich etliche für die Forscher besonders spannende Himmelsobjekte beobachten. Mit dem neuen Instrument werden die Wissenschaftler weit zurück in die Anfangszeit des Universums schauen können, um die ältesten und am weitesten entfernten Galaxien zu studieren, die entstanden, als die ersten Lichtstrahlen den Kosmos erleuchteten. Gas- und Molekülwolken, in denen bis heute neue Sterne auf die Welt kommen, werden sich mithilfe des neuen Antennenwaldes in der Atacama erkunden lassen: Er soll helfen, genauer zu verstehen, wie Sterne in solchen Wolken geboren werden und was deren weitere Entwicklung bestimmt. Auch wie Planeten aus den Gasscheiben um die frisch geborenen Sterne entstehen, wird sich mit den ALMA-Teleskopen viel besser als bisher herausfinden lassen. Selbst die dichten, kalten interstellaren Staub- und Gaswolken, die kaum einen Lichtstrahl durchlassen und daher für optische Teleskope undurchsichtig sind, lassen sich mit dem neuen Weltraum-Späher durchleuchten. Mikro- und Millimeterwellen durchdringen mühelos die interstellaren Wolken, die als kosmische „Fabriken“ für komplexe Moleküle gelten – die Grundbausteine des Lebens.

Doch nicht nur in fernen Regionen des Weltalls wollen die Astronomen mit ALMA auf Spurensuche gehen. Auch über die Objekte in der direkten Nachbarschaft der Erde hoffen sie mit dem neuen Beobachtungsinstrument Neues zu erfahren – etwa über die Dynamik in den Atmosphären der Planeten des Sonnensystems. ALMA wird das Innere von Sturmsystemen wie dem Großen Roten Fleck in der Gashülle des Jupiters ins Visier nehmen. Und das riesige Teleskop wird Aufnahmen von Kometenkernen, Asteroiden und Objekten im Kuipergürtel machen können – einer Region am äußersten Rand des Sonnensystems, die als Ursprungsort der meisten Kometen gilt.

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ALMA wird das leistungsstärkste irdische Teleskop sein. Die auf 600 Millionen Euro geschätzten Baukosten teilen sich die Europäische Südsternwarte (European Southern Observatory, ESO) – ein Forschungsverbund von elf europäischen Ländern – mit der National Science Foundation (NSF) der USA und dem kanadischen National Research Council. Die ESO kommt für die Hälfte der Kosten auf, den Rest teilen sich die USA und Kanada. Auch Japan wird sich eventuell an dem Projekt beteiligen. Im Oktober 2005 begannen die ersten Bagger, die Fundamente für die Antennen auszuheben. Der Bauplatz der Anlage liegt rund 5000 Meter über dem Meeresniveau auf der Hochfläche Llano de Chajnantor, östlich der Ortschaft San Pedro de Atacama. Dort gibt es fast keine Störungen durch Wasserdampf in der Atmosphäre, der die Strahlung teilweise absorbieren würde.

2012, so die Pläne, soll das komplette Teleskop-Array stehen. Schon 2007 werden die ersten Antennen mit ihren Messungen beginnen. Dafür werden alle betriebsbereiten Teleskope zusammengeschaltet und gemeinsam arbeiten. Die 50 fahrbaren Einzelteleskope der vollständigen Anlage werden so ausgerichtet, dass sich deren Ausdehnung zwischen 150 Metern und 14 Kilometern variieren lässt. Ein Computer fügt die Messdaten der Antennen zu einem hochaufgelösten Bild zusammen.

Wissenschaftler aus aller Welt haben sich bereits um Messzeit mit ALMA beworben. Sie können es kaum erwarten, einen ersten Blick durch die Facettenaugen in der Atacama-Wüste zu werfen – und sind gespannt, welche Überraschungen auf sie warten. ■

Ohne Titel

Anlage: 50 Radioteleskope für Millimeter- und Mikrometerwellen

Ziele: Erforschung der Entstehung von Sternen und Planeten, Untersuchung molekularer Gaswolken im All, Einblick in die Bildung von Galaxien in der Frühzeit des Universums

Ort: bei San Pedro de Atacama, Atacama-Wüste (Chile)

Dimension: Durchmesser der beweglichen Teleskope je 12 Meter, Ausdehnung des Arrays variierbar zwischen 150 Metern und 14 Kilometern

Besonderheit: größte Anordnung von Teleskopen der Welt

Inbetriebnahme: Teilbetrieb 2007, komplett 2012

Baukosten: ca. 600 Millionen Euro

beteiligt: Europa, USA, Kanada, eventuell Japan

Ohne Titel

Das Weltraumteleskop Hubble hat in den letzten Jahren unzählige faszinierende Fotos von Galaxien, Sternhaufen und kosmischen Nebeln in bestechender Qualität geschossen. Doch nun steht das Ende des Teleskops bevor. Eine ursprünglich für 2007 geplante Raumflugmission mit dem Space Shuttle, bei der Astronauten dringend notwendige Wartungsarbeiten an dem Gerät vornehmen sollten, wurde nach dem Absturz der Raumfähre Columbia im Februar 2002 abgesagt. Eine Ersatzmission mit einem Wartungsroboter an Bord wird wohl Sparmaßnahmen bei der NASA zum Opfer fallen. Daher endet der Betrieb von Hubble vermutlich im Lauf des Jahres 2007. Doch ein neues Weltraumteleskop ist bereits geplant. Anders als Hubble soll das nach einem ehemaligen NASA-Chef benannte James Webb Space Telescope das Weltall nicht im Bereich des sichtbaren Lichts durchmustern, sondern infrarote Strahlung einfangen. Dazu wird das neue Weltraumobservatorium am so genannten zweiten Lagrange-Punkt im All platziert. An diesem Punkt, rund 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, wirken die irdische Anziehungskraft und die Gravitation der Sonne so zusammen, dass das Teleskop dort in einer stets gleichen Distanz zur Erde die Sonne umkreisen kann.

Als Starttermin für das James Webb Space Telescope steht derzeit das Jahr 2013 im Kalender. Den Löwenanteil der Projektkosten trägt die NASA. Die ESA beteiligt sich mit 15 Prozent an den Kosten, die kanadische Raumfahrtagentur CSA steuert weitere 5 Prozent bei. Mithilfe mehrerer hochpräziser Spiegel soll das Teleskop – genau wie die Antennen von ALMA – vor allem nach Signalen aus der Anfangszeit des Universums Ausschau halten und die Entstehung der ersten Sterne und Galaxien beobachten.

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