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Die Regenmacher-Muschel

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Die Regenmacher-Muschel

Auf den ersten Blick sehen sie aus wie regellose Steinansammlungen. Doch die Vielzahl machte Dr. Markus Reindel stutzig: An die 40 Geröllhaufen, meist direkt auf den geheimnisvollen Linien von Nasca – das konnte kein Zufall sein. Reindel untersuchte im letzten November drei der Haufen genauer und ist nun überzeugt: „Das sind kleine Tempel.” Es wären die ersten Kultbauten in direktem Zusammenhang mit den Scharrbildern in der peruanischen Küstenwüste.

Der Archäologe von der Bonner „Kommission für Allgemeine und Vergleichende Archäologie” (KAVA) ist vor vier Jahren angetreten, das Rätsel der Nasca-Bilder zu lösen. Gesponsert von der Schweizerisch-Liechtensteinischen Stiftung für Archäologische Forschung geht Reindel davon aus, daß man die Bodenzeichnungen nur entziffern kann, wenn man sie nicht isoliert, sondern im komplexen Zusammenwirken von Mensch, Umwelt und Geschichte betrachtet.

Als er in den letzten Jahren zwei Siedlungen ausgrub, zog er aus ihnen Schlüsse über die Sozial-Struktur der Nasca-Gesellschaft (bild der wissenschaft 4/1999, „Das Nasca-Rätsel – unlösbar?”). Die Ergebnisse und der Augenschein vor Ort bestärkten ihn in seiner Annahme, „daß die Bodenzeichnungen von Menschen angelegt worden sind, die unter extremen Umweltbedingungen lebten, in denen Wasser den wertvollsten Faktor darstellte und das daher auch in den Kulthandlungen eine bedeutende Rolle spielte.” Markus Reindel fand jetzt in den Steinhaufen, die drei bis sechs Meter Durchmesser haben, Mauern aus Geröll- und Bruchsteinen, zusammengehalten von Lehmmörtel; zudem Kürbissamen, Maiskolben, Baumwoll- und Wollreste.

Vor allem aber sammelte er zwei Plastiktüten voll mit Muscheln aus dem Steingewirr. „Es waren wirklich erstaunlich viele”, resümiert der Forscher, „so etwas kennt man so weit im Süden des Landes sonst nicht.” Was sein Herz höher schlagen ließ: Es waren Spondylus-Muscheln, die nur in den warmen Pazifik-Gewässern nahe dem Äquator vorkommen. Wenn diese warmen Strömungen das kalte Wasser des Humboldt-Stroms an der peruanischen Südküste überlagern – wie es in manchen Jahren um die Weihnachtszeit geschieht –, bringen sie die Muscheln mit. Und: Es regnet in Südperu. Das Phänomen ist als El Niño bekannt.

Den Zusammenhang zwischen Muscheln und Regen haben auch die alten Peruaner beobachtet. Die Spondylus-Muscheln tauchen bei archäologischen Funden immer in einem rituellen Zusammenhang auf. Sie sind das Parade-Symbol für Regen und Fruchtbarkeit. Je weiter man nach Süden kommt, um so seltener findet man die Muscheln, was Reindels Begeisterung erklärt. Kultische Weihegaben und Regenmacher-Muscheln in einem Bauwerk auf den Rätsel-Linien – für ihn der klare Beweis für einen Tempel. Wie der Ritus mit der Spondylus-Muschel in der schriftlosen Nasca-Kultur (200 v.Chr. bis 600 n.Chr.) ablief, bleibt allerdings vorerst weiter verborgen.

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