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Die Rückkehr der sanften Riesen

Allgemein

Die Rückkehr der sanften Riesen
Warum Luftschiffe plötzlich wieder hochmodern sind. 70 Jahre lang schienen die Zeppeline ausgestorben. Jetzt feiern sie mit neuen Technologien eine triumphale Rückkehr: Sie sind ideal für Schwertransporte sowie als Forschungs- und Kommunikationsplattformen in extremer Höhe.

Die mächtigen Stahlbögen sind bereits aus etlichen Kilometern Entfernung zu erkennen. Mühelos überragen sie die Birken und Nadelbäume am Rand des Spreewaldes, 60 Kilometer südlich von Berlin. „Auf dem Brand“ – einem ehemaligen russischen Militärflughafen, wo einst in grasüberwachsenen Schutzbunkern die MIGs auf ihren Einsatz warteten – entsteht zur Zeit die größte freitragende Halle der Welt. Mit 107 Meter Höhe, 210 Meter Breite und 360 Meter Länge ist die Werft der CargoLifter AG nicht ganz so hoch wie der Petersdom in Rom. Sie ist allerdings doppelt so lang und frei von jeglichen inneren Stützpfeilern. Ihre Aufgabe: Sie soll den Bau von jährlich vier Luftschiffen vor Witterungseinfluß schützen – Luftschiffe, die alles in den Schatten stellen werden, was sich jemals in die Lüfte erhob. Unübersehbar hat eine Renaissance der sanften Riesen begonnen – 100 Jahre nach der Jungfernfahrt von LZ 1, des ersten Zeppelins, am 2. Juli 1900. 63 Jahre liegt das Flammeninferno der „ Hindenburg“ in Lakehurst zurück. In der Folge dieses Unglücks, bei dem 36 Menschen starben, mußten die Zeppeline als reguläre Verkehrsträger den schnellen und wendigen Flugzeugen weichen. Doch nun sind sie wieder da – und keineswegs nur als die fliegenden Litfaßsäulen, die seit Jahrzehnten am Himmel ihre Kreise ziehen.

Hinter den modernen Luftschiffen stehen massive wirtschaftliche Interessen. Mit neuen Technologien wollen die Nachfahren Graf Zeppelins – junge, innovative Firmen, aber auch große internationale Unternehmen – lukrative Märkte erobern: An der einstigen Geburtsstätte der Riesen in Friedrichshafen am Bodensee arbeitet die Zeppelin Luftschifftechnik GmbH seit Anfang der neunziger Jahre am „Zeppelin NT“. Das 75 Meter lange Luftschiff kann zwölf Passagiere befördern und soll außer im Tourismus vor allem für Atmosphären- und Umweltforschung eingesetzt werden. Technische Probleme, die zeitraubende Entwicklung von Konstruktionsvorschriften zusammen mit dem Luftfahrtbundesamt sowie eine Beschädigung beim Transport aus der Halle warfen den „NT“ immer wieder zurück. Immerhin hat er seit seinem Erstflug 1997 bereits 500 Flugstunden hinter sich. Die Friedrichshafener Ingenieure hoffen auf die baldige Musterzulassung für den NT (siehe Interview am Ende des Artikels). Telekommunikationsfirmen in aller Welt sind höchst interessiert an sogenannten Höhenplattformen. Das sind Heliumballons, die in 20 Kilometer Höhe schweben und als kostengünstige Relaisstationen für Multimedia-Daten aller Art dienen sollen. Entwickelt werden derartige Systeme von einem europäischen Forscherteam unter Federführung der Universität Stuttgart, von der DaimlerChrysler Aerospace AG, vom Unternehmen Skystation in den USA und von der japanischen Luftfahrtforschungsanstalt. Den Multi-Milliarden-Dollar-Markt der internationalen Schwer- und Sondertransporte hat dagegen die deutsche CargoLifter AG im Blick: Schon in zwei bis drei Jahren – so haben die Spreewälder es sich vorgenommen – soll ihr 260 Meter langes Luftschiff Lasten bis zu 160 Tonnen Gewicht Tausende von Kilometern weit transportieren und punktgenau absetzen. Angestoßen wurde die Renaissance der Luftschiffe großenteils an der Universität Stuttgart: im Institut für Statik und Dynamik der Luft- und Raumfahrtkonstruktionen. Vor gut zehn Jahren beschloß hier Prof. Bernd-Helmut Kröplin, den Anregungen eines Studenten zu folgen und ihn ein neuartiges Luftschiff bauen zu lassen. Von Haus aus Bauingenieur, hatte Kröplin sein Institut zu einem Mekka für all diejenigen ausgebaut, die mit Hilfe von Computersimulationen, Künstlicher Intelligenz und Neuronalen Netzen die Materialeigenschaften, das Schwingungsverhalten oder die Lebensdauer bestimmter Konstruktionen berechnen wollten. „Für Flugzeuge besitzen wir ein weitgehendes Systemverständnis: Wir wissen, was die Veränderung eines bestimmten Parameters bewirkt“, sagt Kröplin. „Bei Luftschiffen war dies vor zehn Jahren absolut nicht der Fall. Alle, die es gab, waren Einzelexemplare, die nicht unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten entwickelt worden waren.“ Das reizte die Stuttgarter Forscher: Ihrem ersten Experimentalluftschiff folgte 1993 die „Lotte“, ein 16 Meter langer, mit Solarenergie betriebener, sehr manövrierfähiger Zeppelin – seine Nachfolger werden heute noch für Messungen von Luftschadstoffen eingesetzt. Und 1994 saß schließlich Carl-Heinrich Freiherr von Gablenz in Stuttgart Kröplin gegenüber: Der promovierte Jurist und Logistikexperte suchte Unterstützung beim Bau eines Luftfahrzeugs – gleich, ob Helikopter oder Luftschiff –, das schwere Lasten 10000 Kilometer weit transportieren konnte. „Uns war schnell klar, daß als fliegender Kran nur ein Luftschiff in Frage kam“, blickt Kröplin zurück. Zudem mußte ein solcher Cargolifter ein einzigartiges Lastaufnahmeverfahren besitzen, das der Forscher anhand einer Mineralwasserflasche als Luftschiff, eines Bleistiftspitzers als Last und eines Fadens demonstriert: „Am Ladepunkt schwebt der Cargolifter in etwa 100 Meter Höhe. Er wird mit einem einzigen Seil festgemacht und erhält etwas Auftrieb, so daß sich das Seil straff spannt. Mit verschiedenen Winden kann dann die Last an dieser Achse heruntergelassen werden“ – er senkt den Spitzer längs des Fadens auf den Tisch. „Selbst wenn oben der Zeppelin hin und her schwankt“ – Kröplin wackelt mit der Flasche – „läßt sich auf diese Weise doch die Last zentimetergenau absetzen.“ Zwei Jahre lang rechneten und experimentierten die Forscher. Parallel erstellten Wirtschaftsfachleute Marktanalysen und Aufbauplanungen. Dann gründete von Gablenz die CargoLifter AG und stellte gleich etliche von Kröplins Studenten ein. Heute hat CargoLifter 240 Mitarbeiter – laut von Gablenz „mehr als alle anderen Luftschiffbauer der Welt zusammen“ –, besaß vor dem Börsengang am 30. Mai 2000 bereits 13000 Aktionäre, 300 Millionen Mark Eigenkapital und eine hervorragende Marktposition. „Ob große landwirtschaftliche Maschinen, Baugeräte, Turbinen, Chemieanlagen oder ganze Häuser – wir sehen einen jährlichen Transportbedarf von mindestens drei Millionen Tonnen. Das entspricht der Kapazität von rund 200 Luftschiffen“, sagt von Gablenz. „Wir werden die Schiffe sowie ihre Heimatstandorte, die beispielsweise an großen Häfen liegen können, bauen und auch betreiben. Die CargoLifter AG mit ihren Tochterfirmen ist also sozusagen Airbus, Flughafen und Lufthansa in einem.“ Zusammen mit Firmen wie Hochtief, Linde, MAN und Siemens hat CargoLifter erste Einsatzszenarien durchgerechnet. Gegenüber dem bisherigen Verfahren ergeben sich beim Transport von Dieselloks nach Kanada oder von Bergbaumaschinen nach Kasachstan Kosten- und Zeiteinsparungen von 20 bis 90 Prozent. „Die zahlreichen Verladungen vom Tieflader auf die Eisenbahn, dann aufs Schiff und wieder zurück fallen weg – ebenso wie die Sperrung von Straßen, die Stillegung von Hochspannungsleitungen und der Umbau oder Abriß von Brücken“, erklärt von Gablenz. Die Vereinten Nationen haben den Cargolifter sogar schon in ihr Katastrophenprogramm aufgenommen, obwohl er noch gar nicht existiert. Von Gablenz: „ Ein einziger Cargolifter wird genug Lebensmittel in ein Überschwemmungs-, Hungersnot- oder Erdbebengebiet transportieren können, um 25000 Menschen etwa zwei Wochen lang zu ernähren.“ Die technischen Herausforderungen sind allerdings enorm. Verglichen mit gängigen Luftschiffen ist der Cargolifter „wie eine Boeing 747, Stretched Version Cargo, gegenüber einem kleinen Sportflugzeug“, sagt von Gablenz. Der Produktionschef Christoph von Kessel erläutert: „Allein das Leitwerk ist so groß wie ein achtstöckiges Wohnhaus. Dies in 70 Meter Höhe zu montieren, ist alles andere als einfach.“ Auch beim Material für die Hülle stünde man vor völlig neuen Schwierigkeiten: „Die Gesamtfläche beträgt 65000 Quadratmeter, das sind neun Fußballfelder. Mit Druck und Hitze müssen wir Nähte einer Länge von 20 Kilometern verschweißen, und das mit mindestens neun Metern pro Minute, um nicht zuviel Zeit zu verlieren.“ Bei der Reißfestigkeit des Stoffes sei den beteiligten Firmen in den letzten Jahren glücklicherweise ein richtiger „Quantensprung“ gelungen, sagt von Kessel: Sie wurde um das Zehnfache gesteigert. Das nur einige Millimeter dünne Material ist eine Spezialanfertigung: außen strahlungsresistent, in der Mitte ein Gewebe aus verschiedenen Kohlefasern und innen eine gasdichte Schicht, damit nicht mehr als ein Prozent jährlich des wertvollen unbrennbaren Füllgases Helium verlorengeht. Anders als die ersten Zeppeline mit ihrem Aluminiumgerüst wurde der Cargolifter nicht als Starrluftschiff geplant, auch nicht als strukturloser Ballon („Blimp“). Statt dessen ist er ein „halbstarres Kielluftschiff“, so der Ingenieurs-Slang: Der 200 Meter lange und 10 Meter hohe Kiel stellt das einzige starre Element des Schiffes dar, sozusagen das Rückgrat. In ihm sind alle Steuerungssysteme verborgen, die Crewräume, die Ladebucht mit der Last sowie die Behälter zur Aufnahme von Ballastwasser. 16 Gasturbinen-Triebwerke in der Nase, im Heck und in kurzen Tragflächen („Power-Wings“) machen das Luftschiff sehr beweglich: Vier von ihnen dienen als Marschtriebwerke, zwölf zum Drehen und Manövrieren nach oben und unten. Trotz aller Vorbereitungen bleibt der Erstflug des Cargolifters, der für 2001 oder 2002 geplant ist, ein nicht hundertprozentig kalkulierbares Abenteuer. So lassen sich zwar mit dem achtmal kleineren Modell-Luftschiff „Joey“ – es startete erstmals im Oktober 1999 – Flugeigenschaften, Computermodelle und das elektronische Fly-by-Wire-System testen. Aber mit seinen nur 32 Meter Länge würde Joey leicht in die 50 mal 8 mal 8 Meter große Ladebucht des Cargolifters passen: Sein Volumen beträgt den 512ten Teil von dem des Riesen. Weder das Lastaufnahmeverfahren noch das Trägheitsverhalten des Cargolifters sind damit überprüfbar. „Joey ist wie ein Ruderboot, während der Cargolifter einem Supertanker entspricht“, sagt Mats Backlin, der Chef-Testpilot. Der schwedische Flugzeugbau-Ingenieur, der vor acht Jahren zum Luftschiffpiloten umstieg, erklärt: Ein Zeppelin gleicht viel eher einem Schiff als einem Flugzeug. „Wie bei einem großen Schiff muß man immer vorausschauend agieren. Bei 90 Stundenkilometern Reisegeschwindigkeit dauert es lange, in Schwierigkeiten zu kommen – aber ebenso lange, wieder herauszukommen.“ Die gefährlichsten Momente seien Start und Landung sowie die Aufnahme und das Absetzen der Last: „16 Triebwerke müssen bei schwierigen Manövern gleichzeitig bedient werden. Das wird sicher für hektische Momente sorgen“, macht sich der Schwede auf einiges gefaßt. Weniger kritisch seien Stürme und Gewitter: „Denen kann man meist entkommen, oder man läßt sich mit dem Wind treiben. Gegen Blitze haben wir den Cargolifter gut gesichert.“ Mehrere hundert Luftschiff-Piloten werden in Zukunft benötigt – im Moment gibt es weltweit nicht einmal hundert. Doch das Interesse an der Cargolifter-Ausbildung ist groß: Vom U-Boot-Kapitän bis zum Jumbo-Piloten sind bereits Bewerbungen eingereicht worden. Völlig ohne Pilot werden dagegen die Höhenplattformen in der eisigen Atmosphäre in 20 Kilometer Höhe auskommen müssen, die Bernd-Helmut Kröplin entwirft – zusammen mit einem britischen Experten für Atmosphärenforschung, einem Luftfahrt- und Photovoltaikwissenschaftler von Dornier und einem schwedischen Höhenballon-Konstrukteur.

Das ursprüngliche Konzept sah heliumgefüllte Ballons vor, an deren Oberseite Solarzellen montiert sind. Tagsüber sollten sie aus Wasser Wasserstoff produzieren, der nachts durch Brennstoffzellen in Strom zum Antrieb von Motoren umgewandelt und wiederum zu Wasser wird. Dabei sollte der Wasserstoff in einer Art Blase im Inneren des Ballons aufbewahrt werden – ähnlich den sogenannten Ballonetts beim Cargolifter, die im Inneren des Hauptballons für den Formerhalt und einen gewissen Ausgleich des Auftriebs sorgen. Dank der Motoren könnte der Ballon den bis zu 120 Stundenkilometer starken Höhenwinden trotzen und drei bis fünf Jahre lang stationär über einem bestimmten Ort bleiben, mit einer Abweichung von plus/minus zwei Kilometern. Mit Sendern und Empfängern für Mobilfunk, Hörfunk und Fernsehen ausgestattet, würde die Höhenplattform nach den Ideen ihrer Erfinder ein Gebiet von 500 Kilometern Durchmesser abdecken und beispielsweise 100000 Telefonate gleichzeitig abwickeln – zu einem Zehntel der Kosten eines Satelliten, hoffen die Forscher. Für dieses zukunftsweisende Konzept erhielten Kröplin und seine Partner 1999 eine begehrte Auszeichnung: den mit 1,5 Millionen Mark dotierten „ Körberpreis für die Europäische Wis-senschaft“. „Angesichts der technischen Schwierigkeiten deckt dies sicherlich nur einen kleinen Teil der nötigen Entwicklungskosten, aber der Preis macht Mut, auf dem Weg weiter voranzugehen“, sagt Kröplin. „Wir fühlen uns wie Amundsen, der in völliges Neuland vorstößt. Auf diesem Gebiet ist nahezu alles eine Neuentwicklung: von den Materialien über die Brennstoffzellen bis hin zur automatischen Flugregelung, die es für Luftschiffe noch nicht gibt.“ Immer neue Ideen werden an Kröplins Schreibtischen entwickelt – derzeit beispielsweise ein Antriebssystem, das sowohl die Wärmestrahlung der Erde nutzt als auch die 70 Grad Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht. Oder eine neue Form für Luftschiffe: „Warum müssen sie immer wie Zigarren aussehen? Warum nicht wie Schlangen oder Räder?“ In weiterer Ferne steht ein visionäres Projekt, das vor allem Astronomen begeistern könnte: ein Luftschiff in 20 Kilometer Höhe mit bis zu 500 Meter Basislänge, das mehrere Teleskope tragen könnte und von den schwankenden Bedingungen der Erdatmosphäre unabhängig wäre. Mit der resultierenden besseren Auflösung ließen sich vielleicht Planeten in anderen Sonnensystemen entdecken. „Eine solche Plattform in Form eines Wagenrades sähe dann aus wie eine der berühmten fliegenden Untertassen – nur daß keine Außerirdischen, sondern wir selbst sie gebaut hätten“, schmunzelt Kröplin. Luftschiffe zur Himmelsbeobachtung, zur Atmosphären- und Umweltforschung, als Transportfahrzeug und für die Telekommunikation – warum begeistern sich so viele technische Visionäre gerade jetzt für die Nachfahren der Zeppeline? Ich wollte etwas Neues schaffen, ein wenig Geschichte schreiben.“ So begründet Christoph von Kessel seine Entscheidung, die Leitung der Komponentenfertigung bei Airbus in Bremen an den Nagel zu hängen und zum „Abenteuer CargoLifter“ zu wechseln. „Wir werden beweisen, daß auch in Deutschland technische Großprojekte machbar und wirtschaftlich sinnvoll sind“, beschreibt Carl von Gablenz seine Motivation. Kröplin wird fast philosophisch: „Es ist kein Zufall“, sagt der Mentor der deutschen Zeppelinforschung, „daß die Zeppeline nun wiederkommen. Zum einen passen die friedlichen, umweltfreundlichen Riesen genau in unsere Zeit, in der wir mit der Natur leben wollen und nicht gegen sie. Zum anderen gibt es nun mal Aufgaben, für die weder Schnelligkeit noch minutiöse Pünktlichkeit entscheidend sind – und für die wir mit den Luftschiffen die ideale Lösung haben.“ „Zulassungsaufwand unterschätzt“ bild der wissenschaft: Wann startet der Zeppelin NT zum ersten kommerziellen Einsatz? Sträter: Die Schweizer Firma Skyship Cruise erhält das erste unserer Luftschiffe – voraussichtlich im April 2001. Einen Monat später beginnen Touristenflüge. bdw: Ursprünglich wollte Ihr Unternehmen den ersten Zeppelin Ende 1998 liefern. Warum kommt das Luftschiff erst über zwei Jahre später? Sträter: Wir haben den Zulassungsaufwand deutlich unterschätzt. Da wir mit dem Zeppelin NT Neuland betraten – seit 1940 gab es keine Luftschiffe mit starrer Innenstruktur mehr –, mußten wir zusammen mit dem Luftfahrtbundesamt in Braunschweig zuerst die nötigen Vorschriften ausarbeiten. Insgesamt müssen 2600 Dokumente erstellt werden. Aber im März 2001 sollten wir die Musterzulassung erhalten. bdw: Was müssen Sie bis dahin noch erledigen? Sträter: Wir arbeiten zur Zeit das Testprogramm für die Zulassung ab. Damit konnten wir erst vor knapp zwei Jahren loslegen, nachdem wir die technische Konfiguration eingefroren hatten. Denn bei jeder Änderung, die die Flugsicherheit betrifft, würde das Prozedere von vorne beginnen. bdw: Bei den ersten Flügen haperte es noch beim Manövrieren. Wie gut läßt sich das Luftschiff beim jetzigen Entwicklungsstand lenken? Sträter: Der Zeppelin NT kann bei Windgeschwindigkeiten unter 30 Stundenkilometern ganz ohne Bodenpersonal landen und wieder starten. Dafür benötigt er gerade mal sieben Minuten. Bei stärkerem Wind muß der Zeppelin angemastet werden, wozu vier Mann am Boden notwendig sind. Fliegen kann unser halbstarres Luftschiff sogar bei Windgeschwindigkeiten bis zu 45 Stundenkilometern. Den Wert versuchen wir diesen Sommer noch zu überbieten. Pralluftschiffe dagegen müssen bei mehr als 30 Stundenkilometern Windgeschwindigkeit am Boden bleiben. bdw: Beim Zeppelin NT können zwölf Passagiere mitfliegen. Ursprünglich hatte die Zeppelin Luftschifftechnik größere Luftschiffe im Auge – beispielsweise eines mit 40 Plätzen. Sträter: Sicher wäre es wirtschaftlich interessant, mehr Kapazität zu haben. Technisch sind wir in der Lage, einen Zeppelin NT für 40 Passagiere zu bauen. Allerdings müssen Luftschiffe mit mehr als 19 Passagieren wie Großflugzeuge zugelassen werden, was ein sehr komplexes Verfahren ist. Auf 19 Passagiere ließe sich der Zeppelin aber relativ rasch erweitern, falls der Markt dies wünscht. bdw: Einer Ihrer Kunden, die Transatlantische Luftschiffahrtgesellschaft in München, hat zusätzlich ein Pralluftschiff „Skyship 600″ aus Amerika bestellt: Der Zeppelin NT sei sehr teuer, und man könne nicht bis 2002 auf das erste Luftschiff warten. Halten Ihnen die Kunden trotz der immer neuen Verzögerungen die Stange? Sträter: Ja. Bis jetzt haben wir fünf Vorverträge abgeschlossen, und es gibt bereits weitere Interessenten. Übrigens ist unser Zeppelin NT nicht viel teurer als ein Skyship 600. Wir verkaufen das System – Zeppelin plus Anlegemasten und Transporter – für 14,9 Millionen Mark. Bei einem Skyship 600 erhält man zwar zusätzlich den Unterhalt für einige Monate geschenkt. Es kostet aber immerhin 13,4 Millionen Mark und kann nur neun Passagiere aufnehmen.

Ulrich Eberl

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