Der neue große Speicherring des Großforschungszentrums DESY bei Hamburg war kaum in Betrieb gegangen, als den Physikern ein herausragender Fund gelang: Sie entdeckten den Kitt der Atomkerne.
Zunächst hatte der Amerikaner Murray Gell-Man 1963 die Quarks erfunden: Aus mehreren solcher Teilchen – und ihren Antiteilchen – sollten alle Grundbausteine der Materie aufgebaut sein, also auch die Protonen und Neutronen der Atomkerne. Quarks lassen sich nicht frei beobachten, da sie sehr stark aneinander gebunden sind. Die Kräfte zwischen ihnen nehmen noch zu, wenn man sie mit Gewalt aus ihren Bindungen zu reißen versucht. Kraftwirkungen kommen nach den Vorstellungen der Physiker durch den Austausch von Bindeteilchen zustande, die bei den Quarks „Gluonen“ genannt werden. Man kann sich diese Gluonen wie gespannte Gummibänder zwischen den Quarks vorstellen.
Basierend auf diesen Überlegungen entwickelten die Physiker folgendes Modell: Wenn in der Positron-Elektron-Tandem-Ring-Anlage PETRA hochenergetische Elektronen mit ihren ebenfalls hochenergetischen Antiteilchen, den Positronen, zusammenprallen, vernichten sie sich gegenseitig und setzen dabei gewaltige Energien frei. Daraus gehen Mesonen hervor, die aus zwei Quarks bestehen, aber von der extremen Energie sofort wieder auseinandergerissen werden. Die Folge sind Quark-Antiquark-Paare, die sich zu Teilchen vereinen und als Jets gebündelt in entgegengesetzte Richtungen davonfliegen.
Beim Auseinanderreißen der Mesonenquarks kann es geschehen, daß ein Gluon allein wegfliegt.
Dessen Enden sind aber wiederum mit einem Quark beziehungsweise Antiquark bestückt. Auf diese Weise kommt es zu einem dritten Jet.
Beim Auswerten der Meßdaten der PETRA-Experimente fanden die Forscher nicht nur die dritten Jets, sondern konnten auch deren prognostizierte Häufigkeit bestätigen. Damit hatten sie erstmals Gluonen nachgewiesen – den Stoff, der die Welt im Innersten zusammenhält.
Michael Globig