Die Hirnforschung ist inzwischen weit genug, um sich endlich auch um das Bewußtsein zu kümmern – davon ist der Nobelpreisträger Francis Crick überzeugt. Der Mitentdecker der Doppelhelix-Struktur von DNA-Molekülen beschäftigt sich seit den achtziger Jahren mit Kognitionsforschung. Doch Was die Seele wirklich ist, darauf hat auch er keine abschließende Antwort.
Seine provozierende Überlegung am Anfang des Buches lautet: „Um uns zu verstehen, müssen wir das Verhalten und die Interaktionsweise von Nervenzellen verstehen.“ Crick verknüpft dementsprechend wahrnehmungspsychologische Ansätze mit modernen neurowissenschaftlichen Erkenntnissen zum Sehsystem von Primaten und Menschen.
Mit den Grenzen, die der Hirnaufbau setzt – den Grenzen des Bewußtseins – befaßt sich der Kognitionspsychologe Ernst Pöppel. Das Bewußtsein, so stellte Welche Regionen im Gehirn beim Sprechen aktiv sind (rot und gelb markiert), verrät diese Kombination von Tomographie und PET.
er zum Beispiel fest, macht Sprünge von 0,3 Sekunden Dauer. So viel Zeit muß etwa verfließen, damit wir ein Geräusch von einem zweiten unterscheiden können. In dieses Raster ordnen sich auch unsere Gedanken.
Während Neurobiologen einzelne Nervenzellen untersuchen, um das Gehirn zu verstehen, setzen Hermann Haken und Maria Haken-Krell auf die dynamischen Kräfte im System. Die Synergetik – die „Lehre vom Zusammenwirken“, deren geistiger Vater Hermann Haken ist – leitet sich von der Physik her. Die mathematischen Modelle, die auch Gase und Flüssigkeiten beschreiben, sollen ihrer Überzeugung nach die lebende Materie erschließen helfen und so den Zusammenhang zwischen Gehirn und Verhalten klären. Die Forscher brauchen nur wenige Parameter, um ein komplexes System wie das Gehirn mit seinen rund 100 Milliarden Nervenzellen zu beschreiben. Der Geist im Körper, vermuten die Autoren, habe etwas mit solchen Gesetzmäßigkeiten zu tun.
Inwiefern sich dasBewußtsein bei Tieren vom menschlichen Bewußtsein unterscheidet, darum geht es James und Carol Gould in ihrem farbigen Bildband. Sie stellen fest, daß „kein einziger Aspekt der menschlichen kognitiven Fähigkeiten wirklich einzigartig“ ist. Den entscheidenden Vorsprung – Kreativität und Innovationsvermögen – verdankt der Mensch der Größe seines Gehirns und der damit einhergehenden großen Zahl von Neuronenverbindungen.
Das Bild im Kopf, das zum Beispiel beim Anblick eines Botticelli-Gemäldes entsteht, versuchen Lamberto Maffci und Adriana Fiorentini aus dem Zusammenspiel der Nervenzellen zu begründen. Was Neurophysiologen und Neuropsychologen bis heute herausgefunden haben, setzen die beiden in Beziehung zu Erkenntnissen aus Künstlerbiographien – und zu vielen schönen Bildern. Doch auch nach dem Genuß des Buches wird sich die riesige Lücke zwischen der naturwissenschaftlichen Sicht und dem subjektiven Kunstgenuß im Kopf des Lesers nicht schließen.
Gehirn
Francis Crick Was die Seele wirklich ist Artemis 1994 DM 64,- (Hardcover) rororo 1997, DM 18,90 (Taschenbuch)
Ernst Pöppel Grenzen des Bewußtseins Insel 1997, DM 44,-
Hermann Haken, Maria Haken-Krell Gehirn und Verhalten DVA 1997, DM 39,80
James L. Gould, Carol Grant Gould Bewußtsein bei Tieren Spektrum Akademischer Verlag 1997, DM 68,-
L. Maffei, A. Fiorentini Das Bild im Kopf Birkhäuser 1997, DM 68,-
Wolfgang Preßl