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Die stinkende Rose

Allgemein

Die stinkende Rose
Knoblauch boomt in US-Küchen und -Apotheken.

Die ganze Stadt riecht danach. Auf den Feldern rund um Gilroy, etwa 100 Kilometer südlich von San Francisco, wird massenhaft die „stinkende Rose“ angebaut, wie die Einheimischen die Knolle nennen. Geschäfte zieren ihre Schaufenster mit Knoblauchkränzen, und auf den Regalen drängen sich Öle, Salattunken, Knoblauchpressen und Kochbücher. Das alljährlich stattfindende „Garlic Festival“ lockte zuletzt 100000 Besucher an. Sie verzehrten 3000 Pfund frischen Knoblauch, 13450 Knoblauchbrote und Tausende von Kugeln aus Vanille-Knoblauch-Eis.

Das Land der Verehrer fader Macs hat sich zum Mekka der Knoblauch-Connaisseure gemausert. Nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums wuchs der jährliche Knoblauchkonsum in den letzten 20 Jahren von einem halben Pfund pro Kopf auf anderthalb Pfund, mit weiter steigender Tendenz. Auch Knoblauchpillen finden reißenden Absatz.

Schon die Ägypter verwandten um 1500 v. Chr. Knoblauch gegen Herzleiden, Kopfschmerzen und andere Beschwerden. Hippokrates lobte die Heilwirkung der Zwiebelverwandten. Louis Pasteur vertrat die These, Knoblauch sei ein natürliches Antibiotikum. Und nach osteuropäischem Volksglauben schützt ein Knoblauchkranz sogar vor dem tödlichen Biß der Vampire.

Der Vampirschutz ließ sich bisher nicht belegen. Doch andere Vermutungen über die sagenhafte Knolle konnten inzwischen bestätigt und zum Teil auf bestimmte Inhaltsstoffe zurückgeführt werden.

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So beruht die keimtötende Wirkung rohen Knoblauchs auf dem schwefelhaltigen Allicin. „Zur Einnahme als Antibiotikum ist es aber nicht geeignet, da es im Körper schnell zerfällt, und auf der Haut bildet Allicin in konzentrierter Form Brandblasen“, erklärt Dr. Robert Lin. Er ist Mitgründer der Firma Nutrition International, einer Forschungs- und Beratungsfirma im kalifornischen Irvine. Seit 30 Jahren studiert er die Effekte von Knoblauch im Organismus. Das hat ihm sogar akademischen Respekt eingetragen: Das Cornell University Medical Center empfiehlt ihn in seiner „Garlic Hot Line“ als Experten.

Lin setzt auf die kreislauffördernde und krebsvorbeugende Wirkung der Knoblauch-Inhaltsstoffe. Dabei beruft er sich auf epidemiologische Studien in chinesischen und indischen Dörfern mit hohem Knoblauchkonsum: Dort seien weit weniger Herzleiden und Magenkrebsfälle aufgetreten als in Kontrollgruppen.

Der Effekt auf Herz und Kreislauf beruht vermutlich auf der blutverdünnenden Wirkung des Knoblauchs. Der Schutz vor einigen Krebsarten – hier verweist Lin auf eigene Laborversuche – könnte darauf beruhen, daß die Bildung krebsauslösender Nitrosamine im Verdauungstrakt gehemmt wird.

Eine zusätzliche krebshemmende Wirkung fanden amerikanische Forscher kürzlich bei dem in abgelagertem Knoblauch angereicherten S-Allyl-Mercaptocystein: SAMC bremst das Wachstum von Prostatakrebs-Zellen in Kultur. „Wir hoffen, das läßt sich in Tierversuchen und klinischen Studien bestätigen“, erklärt Studienleiter Dr. John T. Pinto vom Memorial Sloan-Kettering Cancer Center/New York. „Dann könnten wir empfehlen, vorbeugend mehr Knoblauch zu verzehren.“

Dem Städtchen mit der besonderen Duftnote gefällt die zunehmende Aufmerksamkeit, die dem Knoblauch gewidmet wird: Das fördert den Umsatz. Von den 70 Millionen Kilogramm der US-Jahresproduktion im Handelswert von mehr als 40 Millionen Dollar liefert die Gegend um Gilroy 90 Prozent. Und Geld stinkt nun mal nicht.

Inhaltsstoffe

Aus Knoblauch wurden bisher 33 schwefelhaltige Substanzen isoliert, ferner 17 Aminosäuren, die Vitamine A, B1 und C sowie die Spurenelemente Germanium, Kalzium, Kupfer, Eisen, Kalium, Magnesium, Selen und Zink. Wann wieviel davon in einer Knolle zu finden ist, hängt von Lagerung und Zubereitung ab.

Allicin

2-Propen-1-thiosulfinsäure-S-2-propenylester, kurz Allicin, entsteht aus dem Aminosäure-Abkömmling Alliin durch enzymatische Umwandlung bei Zubereitung oder Verdauung. Allicin wirkt keimtötend und verleiht Knoblauch den typischen Geruch: Es zerfällt leicht in eine Reihe von eindrucksvoll riechenden Schwefelsubstanzen.

SAMC

Das S-Allyl-Mercaptocystein bildet sich bei längerer Lagerung des Knoblauchs aus Alliin und Allicin. Es ist geruchlos und wird auch durch Kochen nicht zerstört. Auf SAMC ruhen Hoffnungen der Krebsforscher: Es beschleunigt den Abbau von Testosteron im Körper. Ohne das männliche Geschlechtshormon verlangsamen Prostatakrebs-Zellen ihr Wachstum.

Bruni Kobbe

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