„Die Wandmalereien von Thera“ von Christos Doumas

Die Frauen sind hinreißend schön, die Antilopen springlebendig, die Schiffe ebenso elegant wie vertrauenerweckend – kurz: ein phantastisches Buch.

Bild und Text stellen die bislang restaurierten Wandmalereien aus den Palastgebäuden auf Thera vor. Santorin, wie die Insel in der Ägäis seit dem Mittelalter auch heißt, wurde vor rund 3450 Jahren bei einem gewaltigen Vulkanausbruch zerrissen und unter einer 30 Meter mächtigen Ascheschicht begraben. Die Eruption soll, nach landläufiger Meinung, so stark gewesen sein, daß sie sogar die minoische Hochkultur auf Kreta ausgelöscht hat.

Zeitpunkt, Motive und Machart der Gemälde auf Thera zeigen große Verwandtschaft mit den Bildfragmenten auf Kreta und geben so jede Menge Raum für archäologische Spekulationen. Aber das Buch beschäftigt sich nicht nur mit der Archäologie des östlichen Mittelmeeres. Weise beschränkt es sich weitgehend auf die – zum Teil erstmalige – Darstellung und Beschreibung der Bilder, mit denen in der Bronzezeit am Mittelmeer Künstler von hohem Rang die Wände verschönert haben. Da sie dafür neben reinen Ornamenten Szenen aus Umwelt, Alltag und Abenteuer gewählt haben, geben die hervorragend fotografierten Gemälde auch Auskunft über Handel und Wandel in der Alten Welt im Kulturdreieck Ägypten-Vorderasien-Griechenland.

Allein der – für ein Buch höchst ungewöhnliche – vierseitige Ausklapper mit einer Flottenszene läßt staunen. Die informativen Texte beschreiben die Bildmotive und erläutern die Zusammenhänge, verständlich und ohne erhobenen Zeigefinger. Dieses Buch ist, vom Bild über den Text bis hin zur grafischen Gestaltung, einsam herausragend – und eine verdiente Eloge auf die oft unterschätzte Kunst und Kenntnis der Restauratoren.

Christos Doumas DIE WANDMALEREIEN VON THERA Metamorphosis Verlag München 1996 194 S., DM 98,-

Michael Zick